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Mittwoch
10.01.2024

Medien / Publizistik

Thomas Kundert (Somedia), Ladina Heimgartner (Ringier), Jessica Peppel-Schulz (Tamedia) und Michael Wanner (CH Media) (v.l.) waren sich einig: Die digitale Transformation geht ins Geld, Sparen ist ein Muss... (Bild © VSM)

Thomas Kundert (Somedia), Ladina Heimgartner (Ringier), Jessica Peppel-Schulz (Tamedia) und Michael Wanner (CH Media) (v.l.) waren sich einig: Die digitale Transformation geht ins Geld, Sparen ist ein Muss... (Bild © VSM)

Im Zürcher Aura haben sich am Mittwoch über 250 Vertreter und Vertreterinnen aus Medien und Politik zur traditionellen Dreikönigstagung des Verlegerverbandes getroffen

Das Branchentreffen widmete sich dieses Jahr den Chancen und den Gefahren, die von künstlicher Intelligenz ausgehen.

Verlegerpräsident Andrea Masüger von der Somedia trommelte gleich zu Beginn auch dieses Jahr für mehr Medienförderung: Um die Schlagkraft des Journalismus in der Schweiz zu erhalten, brauche es jetzt einen befristeten Ausbau der indirekten Presseförderung für Lokal- und Regionalzeitungen, die Anpassung des Urheberrechts ans digitale Zeitalter (Leistungsschutzrecht) sowie eine verstärkte Rücksichtnahme der SRG auf die privaten Medien. 

«Die scharfen Sparmassnahmen von Medienunternehmen in den letzten Tagen und Wochen zeigen, dass die Zeit drängt», sagte Masüger im Zürcher Eventlokal Aura.

Thema der diesjährigen Ausgabe war die künstliche Intelligenz. Experten, Medienwissenschafter und Medienmanagerinnen loteten die Chancen und Risiken der neuen Technologie für Medien, Demokratie und Gesellschaft aus.

«Die Gefahren für das Geschäftsmodell des Journalismus und für demokratiepolitische Schäden sind mindestens so gross wie die Chancen, die KI den Medien bringen wird», sagte Masüger weiter.

Von den Tech-Konzernen verlangte der Verlegerpräsident den Schutz des geistigen Eigentums und eine faire Vergütung für die Nutzung journalistischer Inhalte, aber auch Transparenz über die Mechanismen der generativen KI und Kooperationen zwischen Medienunternehmen und KI-Betreibern.

Auch Jon Pult, Vize-Präsident der SP, vor Kurzem Bundesratskandidat und bis Ende letzten Jahres Präsident der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates, unterstrich in seiner Rede die Wichtigkeit der Medien für unsere direkte Demokratie und sieht angesichts des «dramatischen Rückgangs der Journalismusfinanzierung» nun die Politik gefordert.

Die «Medienkrise» sieht Pult als eine Krise der Journalismusfinanzierung – nicht unbedingt der Rentabilität der Medienhäuser. «Das ist ein staatspolitisches Problem, nicht einfach ein marktwirtschaftliches.» Der Journalismus könne nicht wie andere Tätigkeiten in Billiglohnländer verschoben werden, so Pults erste These in seiner Power-Point-Präsentation vor den Gästen.

Angesichts der steigenden Desinformation sei «ein gesundes, vielfältiges Mediensystem auch eine Frage der nationalen Sicherheit», so der SP-Nationalrat.

Auch der Politiker hält das Leistungsschutzrecht für ein probates Mittel im digitalen Raum und auch er unterstützt den Ausbau der indirekten Presseförderung als notwendiges «Pflaster» für die darbenden Medienhäuser.

Es brauche in Zukunft aber auch eine staatsferne, unabhängig ausgestaltete öffentliche Journalismus-Finanzierung im Interesse der Gesellschaft, bezahlt etwa über eine Werbesteuer, so Pult weiter.

Im Kampf gegen weltweit aufstrebende Anti-Demokraten sieht Pult zudem das duale Mediensystem in der Schweiz sowie die uneingeschränkte Pressefreiheit als entscheidendes Gegenmittel.

Dies alles sei sehr ehrlich, sagte Pult mit Augenzwinkern, denn «als Nicht-Bundesrat darf ich sagen, was ich denke».

Mark Eisenegger vom fög (Forschungsinstitut für Öffentlichkeit und Gesellschaft) forderte seinerseits einen verantwortungsvollen Umgang der Medien mit KI-Anwendungen. Zurzeit sei die Bevölkerung gemäss einer fög-Umfrage noch skeptisch, wenn KI-Anwendungen im Journalismus genutzt werden. 

Die KI-Systeme müssten, so Eisenegger weiter, auf den Journalismus Rücksicht nehmen, was aktuell nicht ausreichend gegeben sei. Insofern begrüsse er auch Vorgehensweisen wie die Klage von «New York Times» gegen OpenAI.

INMA-Forscher Greg Piechota wiederum zeigte sich besorgt, dass die «New York Times» mit 250 Beiträgen pro Tag deutlich weniger Artikel publizieren kann als bekannte, KI-generierte Seiten mit 1’200 täglichen Artikeln (Quelle: «NewsGuard»). Doch nicht nur «der den News-Markt flutende KI-Tsunami» ist ein Problem, sondern auch der Einfluss von KI auf den Besuch klassischer Newsseiten. 

Piechota stellte auch fest, dass KI-Anwendungen Medienschaffende nicht ersetzen können: So müssen in einem Beispiel die Chefredaktorinnen und Chefredaktoren über 50 Prozent der KI-generierten Zusammenfassung ablehnen. Es braucht also weiterhin den Menschen, aber KI hat dennoch zu grossen Veränderungen in Medienunternehmen geführt. 

Moderator Oliver Steffen von Tele Züri (CH Media) begleitete zum ersten Mal durch den Anlass und moderierte auch die traditionelle Paneldiskussion nach der Kaffeepause – in diesem Jahr mit vier CEOs von Schweizer Medienunternehmen.

Ladina Heimgartner (Ringier), Thomas Kundert (Somedia), Jessica Peppel-Schulz (Tamedia) und Michael Wanner (CH Media) waren sich einig: Die digitale Transformation erfordert hohe Investitionen, weswegen Sparübungen aktuell kaum zu umgehen seien.

Gerade das Aufkommen von KI bringe neben Chancen vor allem auch Gefahren mit sich, «auch in den Regionen, nicht nur bei den ganz grossen Playern», war sich Kundert sicher. 

Die Medien hätten in den letzten Jahren aber viel gelernt und lernen müssen, meint Heimgartner. Gerade Kooperationen untereinander seien besser geworden, etwa bezügliche eines gemeinsamen Logins (OneLog).

Heimgartner forderte konkret die SRG auf: «Die Teilnahme bei OneLog ist wichtiger als die Halbierungsinitiative.»

Daneben, ergänzte Michael Wanner, brauche es eine rasche inhaltliche Diskussion über den Leistungsauftrag der SRG. 

Auch für Peppel-Schulz ist der gemeinsame Gang der Medienbranche in die Zukunft zentral. Die Tamedia-CEO erwartet, dass sich 2024 alle Player «gemeinsam» den Herausforderungen stellen, Herausforderungen wie den KI-Tsunami oder steigende Zustellkosten. 

«KI ist ein Super-Spreader von Fake News» sagte VSM-Geschäftsführer Stefan Wabel, als er das KI-Manifest und die Handlungsempfehlungen des VSM für den Umgang mit KI-Anwendungen vorstellte. 

Der aus gesundheitlichen Gründen aus Österreich zugeschaltete APA-CEO Clemens Pig fragte sich in seinem Buch «Democracy dies in darkness», wie gefährdet der Journalismus sei. 

Ein grosses Problem sei der «Vertrauensverlust in der Gesellschaft gegenüber den Medien», der sich aber auch gegenüber Politik und Wissenschaft zeigt. In einem Super-Wahljahr wie 2024 werde also besonders wichtig sein, dass die glaubwürdigen Medien sich gegen den Fake-News-Tsunami wehren. 

Manfred Kluge, Chairman DACH der Omnicom Group, sah die Verantwortung für die so notwendige Medienvielfalt und -qualität auch bei den Werbekunden und Mediaagenturen. Der Werbemarkt werde gemäss Prognosen bis 2026 zwar wachsen, die Verteilung werde sich aber weiterhin extrem Richtung Search- und Social-Media-Plattformen verschieben. Zu erwarten wäre als Folge davon ein breites Mediensterben.

Kluge forderte alle zum Handeln auf: Insbesondere Werbeauftraggebende und Agenturen selbst sollten bei der Vergabe ihrer Budgets qualitative Kriterien höher gewichten.

2024 ist ein spezielles Jahr für den Verlegerverband: Er feiert sein 125-jähriges Bestehen.