Der Ukraine-Krieg hat das Coronavirus als Topthema der Berichterstattung abgelöst. Vieles machen die Schweizer Medien richtig. Doch es gibt auch ein paar Schwachstellen, wie eine neue Studie bemängelt.
Bis zu 45 Prozent aller Medienbeiträge widmeten sich in den ersten Tagen nach der Invasion der russischen Armee dem Geschehen im Osten Europas. Seit Mai hat sich der Anteil bei 20 Prozent eingependelt – die Ukraine ist und bleibt der Spitzenreiter.
Untersucht worden ist die Ukraine-Berichterstattung vom Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) der Uni Zürich. Die am Freitag publizierte Studie stellt den Schweizer Medien insgesamt ein gutes Zeugnis aus.
«Grosse kriegerische Auseinandersetzungen führen zu einem steigenden Bedürfnis nach Information und Orientierung. Medien spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie operieren jedoch unter erschwerten Bedingungen, etwa weil der Zugang zu Informationen schwieriger ist oder weil die Medien teilweise der Zensur unterworfen sind», kommentierte Linards Udris, Studienleiter und stellvertretender Forschungsleiter des FÖG, die Ergebnisse der Studie.
In Boulevard- und Pendlermedien machte die aktualitätsbezogene Berichterstattung zum Kriegsgeschehen (39%) den grössten Anteil aus. Dieser Anteil ist deutlich höher als auf den Websites der Abonnementsmedien oder der SRG (jeweils 25%). In Abonnementsmedien (41%) und bei der SRG (42%) stehen gemäss FÖG die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des Krieges stärker im Zentrum als in Boulevard- und Pendlermedien (25%).
Erwartungsgemäss konzentrieren viele der Medienbeiträge ihre Aufmerksamkeit auf die Ukraine (20%), Russland (13%) und andere Länder insbesondere des Westens. Ein blinder Fleck dabei sind die indirekt betroffenen Regionen des globalen Südens, die vor einer drohenden Hungersnot stehen, über die bisher nur sehr spärlich berichtet worden ist.
Untersucht haben die Studienmacher auch, wie viel Hintergrundinformationen die Medien liefern. Dabei zeigte sich, dass die 13 analysierten Onlinemedien insgesamt einen relativ hohen Anteil an einordnenden Beiträgen aufweisen (25%). Dieser ist deutlich höher als beim themenunabhängigen Durchschnitt im Jahr 2021 (14%).
Dabei brillierten die Abo-Medien mit 41% (15% mehr als sonst), aber auch Boulevard- und Pendlermedien vermitteln mehr Hintergründe beim Thema Ukraine-Krieg (11% gegenüber 7% bei der Gesamtberichterstattung).
Auf problematische Bilder von Toten und Verletzten stiessen die Forscher kaum. Nur 4 Prozent der Kriegsberichterstattung zeigten Bilder von Verletzten oder Toten. Alle Darstellungen von Toten waren dabei anonymisiert. «Insgesamt war der Umgang mit Bildern von Verletzten und Toten aus medienethischer Perspektive korrekt», so Udris weiter.
Die eigentliche Achillesferse der Kriegsberichte ist die Informationsbeschaffung. «Alle Medientypen waren zum Teil sehr abhängig von Nachrichtenagenturen oder externen Quellen», heisst es in der Studie.
Dabei beruhte die Auslandsberichterstattung von Boulevard- und Pendlermedien zu 62 Prozent auf Agenturmeldungen (Abonnementsmedien: 10%, SRG: 32%). «Diese Medien haben in der Regel auch kein eigenes Korrespondenten-Netzwerk, anders als Abonnementsmedien und der öffentliche Rundfunk, deren Beiträge zu 32 bzw. 18 Prozent von Auslandkorrespondenten stammen.»
Neben Nachrichtenagenturen waren journalistische Medien (21%) und Social Media (16%) – allen voran Twitter – zentrale externe Quellen für Beiträge. Wichtig waren aber auch staatlich-militärische Quellen, auf die sich 31 Prozent der Beiträge berufen haben.
«Gerade durch die Abhängigkeit von solchen externen Quellen besteht das Risiko, dass Narrative von Kriegsparteien unkritisch übernommen werden», mahnte Linards Udris.