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Sonntag
25.09.2022

Medien / Publizistik

Analoge und digitale Übergriffe halten sich etwa die Waage. (Bild Screenshot Youtube)

Analoge und digitale Übergriffe halten sich etwa die Waage. (Bild Screenshot Youtube)

Wie verbreitet sind Übergriffe gegenüber Medienschaffenden in der Schweiz? Und in welchen Formen äussern sie sich?

In einer Umfrage unter 200 Journalisten und Journalistinnen gaben 83 an, dass sie schon mal angegriffen worden seien. Vor allem psychische, aber auch physische Angriffe wurden benannt. 

Dabei spielten sich die Beschimpfungen und Drohungen etwa je zur Hälfte digital und analog ab, wie aus der vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) vor Kurzem publizierten Umfrage hervorgeht.

Die Formen, die die Übergriffe annehmen, sind teils bekannt, teils erstaunlich – und immer mehr oder weniger beklemmend. «Drohungen auf Twitter und Facebook, mit Nennung meines Wohnortes und körperlicher Merkmale», beschrieb eine Journalistin zum Beispiel die Angriffe. 

Ein anderer: «Einem Zuhörer einer öffentlichen Debatte hat meine Frage nicht gefallen, er wurde verbal ausfällig und es endete damit, dass er mich packte.» Oder: «Aufkleber mit Beleidigungen wurden an die Tür unseres Gebäudes geklebt.»

«Einschüchterung, Bedrohung, Blossstellung. Einforderung von Gegendarstellungen, Druck auf Chefredaktion und so weiter», gab jemand Drittes an, der im Umfeld von kriminellen Organisationen und Rechtsextremen recherchiert, wo solche Übergriffe «weit verbreitet» seien.

Auch eine Morddrohung dokumentiert die Umfrage, nämlich nach einem Bericht über eine Gerichtsverhandlung über einen bewaffneten Raubüberfall an einer Tankstelle.

Und sogar die Staatsgewalt soll gegenüber der Vierten Gewalt übergriffig geworden sein: «Telefonat mit einem Polizisten, der mir gegenüber Gewalt androhte, sollte er mir einmal auf der Strasse begegnen.»

Umgekehrt wurde auch beklagt, dass der Polizei die Hände gebunden seien: «Stalking sowohl mit Abwarten vor dem Medienhaus, später dann auch digital mit E-Mail und Telefonanrufen, Polizei konnte nichts unternehmen, weil er mir Zitat ‹nichts Physisches angetan› hatte.»

Und natürlich tauchen auch die Leugner und Lügner in den Antworten der Medienschaffenden auf: «Verschwörungstheoretiker haben nach einer Recherche von mir eine personalisierte Kampagne gegen mich gefahren, inklusive Bild, Vollname, Funktion und Arbeitsort. Angriffe per Mail an riesige Verteiler mit Diffamierungen.»

Die Umfrage wurde vom Bakom durchgeführt und ist Teil des sogenannten Nationalen Aktionsplans, mit dem die Behörde in Kooperation mit der Medienbranche die Sicherheit von Journalisten und Journalistinnen erhöhen will. Dabei geht es neben den Hatespeeches auch um missbräuchliche Gerichtsklagen. 

Den Anstoss hatte Medienministerin Simonetta Sommaruga an einer Ministerkonferenz des Europarats im Juni 2021 gegeben. Damals wurde der Europarat per Resolution eingeladen, nationale Aktionspläne «zur Sicherheit von Journalisten und anderer Medienakteure» auszuarbeiten, wie es in der Resolution heisst.

So entschlossen und durchdacht der «Aktionsplan» auch daherkommt – was er tatsächlich zu bewirken imstande sein wird, steht in den Sternen. Denn er wird nur empfehlenden Charakter haben und rechtlich nicht bindend sein.