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Mittwoch
03.06.2020

Medien / Publizistik

«Während die Wissenschaftsredaktionen immer kleiner wurden oder ganz verschwanden, bauten Universitäten und Forschungsinstitute ihre Kommunikationsstellen kontinuierlich aus»: zum Beispiel das ETH-Portal «Sciena» (Bild).

«Während die Wissenschaftsredaktionen immer kleiner wurden oder ganz verschwanden, bauten Universitäten und Forschungsinstitute ihre Kommunikationsstellen kontinuierlich aus»: zum Beispiel das ETH-Portal «Sciena» (Bild).

Ihre Meinung war gefragt wie selten zuvor, als das Coronavirus die Bevölkerung verunsicherte. Jetzt drohen die Wissenschaftsjounralisten wieder in die ‚Nice to have‘-Nische gerückt zu werden. Der Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus protestiert bei den Medienmanagern.

«Der Wissenschaftsjournalismus hat im Moment wirklich eine Systemfunktion», sagte der Berliner Virologe Christian Drosten unlängst im Corona-Podcast des NDR. 

Das spürten auch die Wisschenschaftsjournalisten in Schweizer Medienhäusern. Ihre Meinung habe auf den Redaktionen plötzlich mehr gezählt, schreiben Martin Amrein, Präsident des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus, sowie Vize-Präsidentin Huma Khamis in einem offenen Brief, den sie am Dienstag an verschiedene Schweizer Medienhäuser verschickt haben.

Bei der NZZ und der TX Group seien die Wissenschaftsressorts die einzigen Ressorts der beiden Medienhäuser gewesen, die nicht auf Kurzarbeit gesetzt wurden. Die Wissenschaftsredaktoren von Tamedia zum Beispiel hätten weit mehr Artikel produziert, als auf den Print-Seiten des eigenen Ressorts Platz hatten.

Kurz vor dem Lockdown war durchgesickert, dass Tamedia die Ressorts Kultur, Gesellschaft, Service und Wissen zum Super-Ressort Leben zusammenfassen will, wie der Klein Report berichtete. Das zeigt für die beiden Wissenschaftsjournalisten, dass in Zukunft «wissenschaftsjournalistisches Verständnis weniger zählt, Klickzahlen dafür umso mehr». 

Stellen will Tamedia zwar keine streichen. «Doch das hiess es bereits, als 2014 die Wissenschaftsredaktionen des ‚Tages-Anzeigers‘ und der ‚Sonntagszeitung‘ zusammengelegt wurden. Einsparungen von Stellen und Stellenprozenten gab es einige Jahre später trotzdem.» 

Genauso wie in den letzten Jahren auch beim «Bund», bei der «Aargauer Zeitung», bei der «Basler Zeitung», bei «Le Temps», bei «l’Hebdo» und beim RTS Stellen von Wissenschaftsjournalisten gekürzt oder gestrichen worden seien.

Dass der Wissenschaftsjournalismus nach der Pandemie von den Medienmanagern allzu schnell wieder in die ‚Nice to have‘-Nische gerückt werde, frappiert Martin Amrein und Huma Khamis. «Mit dem Klimawandel, der Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz, der Biotechnologie, 5G oder dem Verlust von Biodiversität kommen noch ganz andere Herausforderungen auf uns zu.»

Doch auch vonseiten der Wissenschaften sehen die beiden Wissenschaftsjournalisten Wolken aufziehen: «Während die Wissenschaftsredaktionen immer kleiner wurden oder ganz verschwanden, bauten Universitäten und Forschungsinstitute ihre Kommunikationsstellen kontinuierlich aus.» Gerade habe der ETH-Bereich mit «Sciena» ein weiteres Portal für eigene Wissenschafts-News lanciert.