Der «JournalismusTag.22» des Vereins «Qualität im Journalismus» war seit 2019 zum ersten Mal wieder analog – und dauerte nur einen halben Tag. Der Klein Report war vor Ort.
Im Vergleich zu 2019 fiel auf: Weniger Leute, weniger Polarisierung, weniger Promis, weniger Medienkritik, dafür mehr Frauen und ein brillantes Referat von Simona Boscardin, ein Name zum Merken.
Die Co-Präsidentin «Junge Journalist:innen Schweiz» JJS und SRF-Praktikantin präsentierte den anwesenden Boomern eine Umfrage, die sie selber durchgeführt hatte. Millennials und Zoomer, so ihre Bilanz, wollen anständige Lohn- und Arbeitsbedingungen, keinen Sexismus, ein gutes Arbeitsklima, mehr unterschiedliche, diverse Biografien in den Medien und sie werden gerne in ihrer Unterschiedlichkeit ernst genommen.
Abgesehen davon und vom Podium «Wie gut ist die Berichterstattung aus der Ukraine?», das dank Kurt Pelda an Fahrt erhielt, war der #JourTag22 sehr zahm.
Investigativjournalist Pelda riet den jungen Journis, vor Ort präsent zu sein, denn so entgehe man den «Sofaexperten» zu Hause. Er plauderte aus dem Nähkästchen, weshalb er nach dem «Tages-Anzeiger» zur «Weltwoche» gewechselt hatte; der Tagi hätte manchmal seine Artikel bis zur Unkenntlichkeit verändert. Er erzählte auch, weshalb er nach kurzer Zeit bei der «Weltwoche» nun bei den CH Media gelandet sei.
Die «Weltwoche» hätte ihm nie eine Zeile seiner Texte verändert, doch in der Ukraine als Reporter für ein Blatt voller Pro-Putin-Artikel unterwegs zu sein, sei lebensgefährlich.
Luzia Tschirky (Korrespondentin SRF) widersprach Pelda punkto «junge Journalisten und Journalistinnen in die Ukraine zu schicken»: Wer sich nicht wirklich gut auskenne, stünde unter Lebensgefahr.
Das Einstiegsreferat zum Klimajournalismus war vernachlässigbar – oder, wie eine Teilnehmerin meinte: «Klingt nach klassischem Genderjournalismus». Was bedeutet, dass Klima und Gender in allen Ressorts und Themen mitgedacht werden müssen.
Die Workshops waren als Weiterbildung angelegt und rege besucht. Das Abschlusspanel, das noch 2019 in der vollbesetzten Aula zu heftigen Kontroversen zwischen Boulevard- und Qualitätsmedien geführt hatte, war sehr nett. Drei Tamedia-Frauen Isabelle Jacobi («Der Bund»), Kerstin Hasse (Chefin Digital Tamedia) und die Moderatorin Edith Hollenstein («Tages-Anzeiger») kamen bei der Sexismus-Frage aus dem Publikum etwas ins Schlittern – der offene Brief vom März 2021 an die Unternehmensleitung sowie Chefredaktion der TX-Group wurde mit keinem Wort erwähnt.
Jürg Steiner amüsierte sich über seine Betitelung als «Chefredaktor», da ein solcher Posten im kleinen Team der Online-Zeitung «Hauptstadt» völlig realitätsfern sei – das Panel mit den «Chefredaktor:innen» hatte das Motto «Hallo, wir sind die Neuen».
Auffällig war am diesjährigen Journalismus Tag die Konzentration auf Weiterbildung sowie Versöhnung unter den Journis sowie das Fehlen der wichtigen Verlagstitel. Die «Republik» hatte einen Tisch reserviert, der herren- respektive damenlos blieb, bekannte Namen der Branche sowie die Lust, über die Zukunft des Journalismus zu reden, blieben an diesem angenehm unaufgeregten Tag ebenfalls weg.
Dass Vinzenz Wyss, Journalistik-Professor an der ZHAW, nicht wie die zwanzig Jahre vorher den Tag organisiert hatte, machte sich auch im Fehlen der Studierenden der ZAHW bemerkbar: Sie hätten dieses Jahr Eintritt zahlen müssen, was angesichts der ohnnehin schwierigen monetären Situation vieler Medienschaffenden eine Hürde darstellt.
«Ich habe den Verein 1999 gegründet, war immer im Vorstand und habe 20 Tagungen organisiert. Für mich war dies ein passender Zeitpunkt, frischem Wind Platz zu machen», sagte Vinzenz Wyss gegenüber dem Klein Report auf spätere Nachfrage.
«Es ist wichtig, dass sich Journalisten und Journalistinnen einmal im Jahr zeitgleich treffen und gemeinsam ihr routinisiertes Handeln reflektieren.» Dafür bietet der JournalismusTag an der ZHAW die «ideale Plattform».
Gefallen hat Wyss speziell, dass es dem OK gelungen sei, mehr jüngere Journalisten und Journalistinnen für die Tagung zu begeistern – denn diese würden «offensichtlich anders ticken als manch alter Haase».