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Dienstag
22.10.2019

Medien / Publizistik

Die beiden SRF-Dauergäste Tamara Funiciello und Andri Silberschmidt waren auch Kolumnisten für den «Blick»...

Die beiden SRF-Dauergäste Tamara Funiciello und Andri Silberschmidt waren auch Kolumnisten für den «Blick»...

Allen Unkenrufen zum Trotz spielt die klassische Medienpräsenz unter anderem bei den Kanälen von SRF, Tamedia, Ringier und CH Media immer noch eine riesengrosse Rolle: Die selbstreferenziellen Medien kreieren ein selbstreferenzielles Politkarussell, bei dem diejenigen gewinnen, die das Medienpräsenz-Spiel artig mitspielen.

Ein erstes Beispiel: Die prominentesten Neuen der Deutschschweiz in Bern, Tamara Funiciello für die SP und der Jungfreisinnige Andri Silberschmidt, waren beide Kolumnisten für den «Blick»: Mehr Eigenwerbung geht fast nicht mehr.

Mit dem Hause Ringier auch eng verbandelt ist die Grüne Irène Kälin, die seit 2013 mit Werner De Schepper liiert ist und mit Baby darüber hinaus für wunderschöne Bilder, aber auch medial verhandelte Kontroversen sorgte.

Die Glanzwahl von Martin Candinas im Kanton Graubünden hängt eng mit seinem unermüdlichen SRG-Engagement zusammen: Es gibt kaum ein Medienthema, zu dem sich Candinas nicht öffentlich-rechtlich einbringen kann.

Magdalena Martullo-Blocher hält als Exil-Zürcherin den einzigen SVP-Sitz des Kantons Graubünden. Dies selbstverständlich auch wegen ihrer hohen, umstrittenen Medienpräsenz: Das Motto «there is no such thing as bad publicity» gilt also immer noch.

Dies zeigt auch die CVP, deren Digitalkampagne von allen Medien und Experten in der Luft zerrissen, aber immerhin mehrere Tage die Kommentarspalten zu füllen wusste. Nicht zuletzt deshalb waren die Verluste der CVP nicht so schlimm wie erwartet.

Wer zu den Regional-TV-Sendungen eingeladen wird, hat ebenso gute Chancen. So konnte beispielsweise Sibel Arslan, Grüne Schweiz, locker ihren Sitz verteidigen, obwohl auch sie medial und persönlich äusserst ruppig behandelt wurde, aber eben: Sie war eine Zeit lang das Medienthema schlechthin. Sehr gut schnitt auch SP-Politikerin Jacqueline Badran ab: Phasenweise gab es fast keine «Arena»-Sendung oder einen «SonnTalk» ohne die markige Zürcherin.

Wie wichtig Medienpräsenz bei Wahlen ist, beweist auch der Frauenstreik: Ohne diese landesweite Mobilisierung wären alle Medien punkto Frauenfrage so stumm geblieben wie in den Wahlen zuvor. Schon 1991 sorgte der Frauenstreik für einen Frauen-Aufschwung im Parlament, doch 2019 übertraf alle Erwartungen. Zudem hat sich die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EFK mit einer überparteilichen Kampagne «halbe-halbe» beteiligt und dementsprechend Medienaufmerksamkeit generiert.

Auch umgekehrt lässt sich ein enger Zusammenhang zwischen Medien und Wahlen feststellen: Der mit den Gewerkschaften bestens vernetzte SP-Nationalrat Corrado Pardini wurde seit der «Arena» zum EU-Rahmenabkommen im Dezember 2018 und der medienattraktiven Schelte von Tiana Angelina Moser und Laura Zimmermann in den Medien als klassischer «alter weisser Mann» mit Uraltpositionen gehandelt.

Und der ebenfalls abgewählte Gewerkschafter Adrian Wüthrich wird es sich wohl mit seiner Haltung zum Geldspielgesetz mit den klassischen Netzradikalen verscherzt haben. Dazu kommt, dass alle Medien Gewerkschaften behandeln, als wären sie die Dinosaurier der Politiklandschaft: Deshalb kommen Gewerkschaften medial kaum vor und wenn, dann meist negativ. Zudem hat die Gewerkschaftszeitung «Work» keine Reichweite, was der medialen Förderung von Kandidierenden mit Gewerkschaftshintergrund auch nicht hilft.

Das Klimathema, das aufgrund Kinderdemos, Greta, Quoten und Fakten perfekt funktioniert und medial flächendeckend bewirtschaftet wurde, hat Peter Schillinger (FDP Kanton Luzern) und Hansjörg Brunner (FDP Thurgau) das Amt gekostet. Beide Unternehmer zeigten sich in Sachen Klimapolitik sehr konservativ und waren über Petra Gössis Schwenk hin zu Grün überhaupt nicht glücklich. Sie wurden abgestraft.

Wie wichtig die Unterstützung der klassischen Medien ist, zeigt auch die Abwahl des Gewerbeverbandspräsidenten Hans-Ulrich Bigler (FDP), der nach der «No Billag»-Initiative kaum mehr Sendezeit oder Papierpräsenz erhielt. Dass die Kleinpartei BDP, die sogar eine Bundesrätin stellte, so viel Federn lassen muss, hängt unter anderem ebenfalls eng mit fehlender Medienpräsenz zusammen: Nach dem Rücktritt von Bundesrätin Widmer-Schlumpf war die BDP schlicht kein Thema mehr. 

Diese Betrachtungen zeigen für die Wahlen 2019: Die Walzmaschine SRF, Tamedia, Ringier, CH Media und Co. haben punkto Politik, Macht, Agenda-Setting durch den medialen Konzentrationsprozess eher an Bedeutung dazugewonnen.