Das war knapp: Mit 84 zu 76 Stimmen versenkte der Nationalrat den «Medienartikel». Dieser hätte in der Verfassung festschreiben sollen, dass der Bund neben Radio und TV auch die Presse direkt fördert.
«Medien in die Bundesverfassung» hiess die parlamentarische Initiative, mit der 2018 der damalige Ständerat Filippo Lombardi den Handlungsspielraum des Bundes im Bereich der Medien und speziell bei der Medienförderung klären und ausbauen wollte.
Dazu sollte Artikel 93 der Bundesverfassung über «Radio und Fernsehen» neu als «Medienartikel» umformuliert werden, sodass er unabhängig von der Verbreitungstechnologie hätte ausgelegt werden können.
Dem Bund hätte dies ermöglicht, fortan Gesetze für alle Medien zu erlassen. Zum Beispiel hätten damit auch die Print-Medien direkt gefördert werden können – also ohne Umweg übers Postgesetz.
Mit Verweis auf Digitalisierung und die Zusammenlegung von Zeitungen hatte die Forderung im Ständerat eine Mehrheit gefunden.
Ein heisses Eisen also, das der Nationalrat am Dienstag nun definitiv beiseite gelegt hat.
Artikel 93 enthalte alles Notwendige, gab Kurt Fluri die Meinung der Kommissoinsmehrheit wieder. Nachdem das Volk den Ausbau der Medienförderung am 13. Februar abgelehnt hat, gehe es nun erstmal darum zu prüfen, «wo der Stein des Anstosses beziehungsweise die Steine des Anstosses bei dieser Abstimmung gelegen sind», so der FDP-Mann aus Solothurn.
Eine Lanze für den «Medienartikel» brach Katja Christ. Der traditionelle Service public, den die Verfassung auf Radio und Fernsehen eingrenzt, werde «zunehmend ein Auslaufmodell und keine Grundlage mehr für eine allgemeine Medienpolitik. Wir können so den zentralen Herausforderungen medienpolitisch und legislatorisch nicht begegnen.»
Daher gebe es keinen Weg darum herum, die Service-public-Diskussion auch als «Verfassungsdiskussion» zu führen. «Ansonsten sind wir gezwungen, auf der Basis anachronistischer Verfassungsnormen die Probleme von morgen zu lösen», befand die GLP-Politikerin aus Basel-Stadt.
In der Medienbranche war die Forderung von Anfang an hoch umstritten. Besonders scharf kritisiert wurde ein möglicher «Medienartikel» auf Verfassungsebene von Reporter ohne Grenzen (RSF). Unter dem Vorwand der guten Absichten hätte der Vorschlag die Pressefreiheit unterminiert, so die Einschätzung der Journalistenorganisation.
Am Artikel 93 der Bundesverfassung entzünden sich immer mal wieder medienpolitische und medienrechtliche Diskussionen. Umstritten ist, was mit den im zweiten Absatz erwähnten «anderen Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung» genau gemeint ist. Zum Beispiel, ob dieses in die Jahre gekommene Wording auch Online-Medien umfasst – eine Sichtweise, die beim Schnüren des Medienförderpakets 2021 obsiegte.
Klarheit herrschte dagegen immer darüber, dass die Presse nicht mitgemeint ist. Der Bund hat im Artikel 93 BV keine Handhabe, um regulierend oder fördernd in die Presselandschaft eingreifen. Daher läuft die Presseförderung indirekt übers Postgesetz.
Mit nur acht Stimmen Differenz ist der «Medienartikel» nun also vom Tisch. Ein Geheimnis bleibt, weshalb sich nicht weniger als 31 Nationalräte und Nationalrätinnen bei der Abstimmung am Dienstagvormittag der Stimme enthielten.