Die designierte SRG-Direktorin Susanne Wille, seit 1931 die erste Frau in der Geschichte des als Verein organisierten Medienhauses, dominiert die Schlagzeilen der Sonntagspresse.
Die «NZZ am Sonntag» hält sich gar nicht lange mit der Wahl des kommunikativen Supertalents auf, sondern sucht Zukunftsstrategien aus dem letzten Jahrhundert: «Kleiner werden, um gross zu bleiben», schlägt Peer Teuwsen vor.
Die Informationsabteilung solle ausgebaut, die Unterhaltung, die übrigens auch im öffentlichen Auftrag steht, massiv abgebaut werden. Auch von Blockbustern wie «Davos 1917» sei abzusehen, denn diese würden «extrem viel Geld kosten und uns Zeitgenossen nichts über uns selbst vermitteln».
Dann erteilt Journalist Teuwsen mit einem Uralt-BBC-Urgestein, John Reith (1889 bis 1971), Susanne Wille sieben Lektionen. Darunter vor allem die von der SRG eh schon längst bis zur Perfektion betriebene Interessenvertretung: «Lobbyiere, was das Zeug hält».
Dass Susanne Wille SRG-Generaldirektorin im Internet-Zeitalter ist, blendet die «Neue Zürcher Zeitung» in ihrer bildungsbürgerlichen Ermahnung an die Neugewählte einfach aus.
Äusserst bitter, im doppelten Wortsinne, schlägt der «SonntagsBlick» auf. Gleichzeitig mit der Verkündigung der Wahl von Susanne Wille erhält der Mitte-Chef Gerhard Pfister das Wort: «Die SRG kann sich heute nicht mehr darauf verlassen, dass sie automatisch vom Volk kriegt, was sie will.»
Politiker Pfister rät der SRG dringend, die expansive Onlinestrategie abzubauen und die Firmen von der Gebührenpflicht zu erleichtern. Und: «Sollte kein Gegenvorschlag zustande kommen, überlege ich mir, der Initiative zuzustimmen, um ein Zeichen zu setzen», so der Chef der Mitte-Partei.
Mit Humor verabschiedet «SonntagsBlick»-Chefredaktor Reza Rafi Gilles Marchand, dessen «Dreitagebart nach Manier eines französischen Chansonniers» wohl seinen eigenen frühzeitigen Abgang provoziert hatte, weil er über die SVP-Halbierungsinitiative tobte: «Diese Initiative ist eine Attacke gegen die Schweiz», polterte er und sah das Abendland wieder einmal untergehen.
Susanne Wille sei deshalb, so der «SonntagsBlick», die «mehrheitstaugliche Sympathieträgerin», sozusagen eine «Leutschenbach-Leuthard», die das Zeug habe, Abstimmungen zu gewinnen. Journalist Raphael Rauch doppelt mit einem grossen Interview mit Susanne Wille in der Zeitung nach.
Dort verkündet Wille die üblichen Floskeln wie: «Wir müssen den SRG-Werten Sorge tragen – allen voran der Unabhängigkeit und dem Qualitätsjournalismus». Zudem meint Wille selbstsicher, Gilles Marchand sei Vergangenheit, er habe sparen und eine Abstimmung gewinnen müssen, sie sei dafür da, «die SRG in die Zukunft zu führen».
Die «SonntagsZeitung» konzentriert sich aufs Persönliche: «Natürlich spricht sie auch Rätoromanisch». Journalist Andreas Tobler ist beeindruckt: «Die frühere ‚10vor10‘-Moderatorin spricht – neben Französisch, Italienisch, English, Spanisch, Portugiesisch und Deutsch – auch Rätoromanisch.»
Letzteres habe sie in einem Kurs beim Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) gelernt – wohl ebenso auf Kosten der SRG wie ihre anderthalbjährige berufsbegleitende Weiterbildung zur Managerin.
Andreas Tobler fällt nach dieser ersten enormen Hochachtung dann doch noch eine klitzekleine Kritik ein: Susanne Wille käme, was Strategie und Aufgabe der SRG beträfe, «noch nicht über die bekannten Managementfloskeln hinaus». Solche füllen dann auch den Text der Sonntagszeitung.
Bei CH Media freut man sich über die Anfänge von Susanne Wille bei der «Aargauer Zeitung» (heute CH Media) und ihre damalige Festanstellung beim Regionalsender M1 1999, wo sie eigentlich nicht moderieren wollte, dies indessen so gut konnte, dass sie ein Jahr später vom Schweizer Fernsehen abgeworben wurde.
Die CH-Media-Medien thematisieren auch die Familie Willes, sowohl ihre Herkunft als auch ihre eigene. Susanne Wille hat mit dem ehemaligen SRF-Tagesschau-Moderator Franz Fischlin drei Kinder im Teenager-Alter sowie zwei Kinder aus einer früheren Beziehung Fischlins.
Die grösste Schwäche verortet man bei CH Media bei den Managementfähigkeiten Willes: Beim Newsroom habe sie es nicht geschafft und auch die Neuorganisation der Kulturabteilung in Basel sei kein «Meisterstück» gewesen.
Online gibt es nur Positives zur neuen Generaldirektorin, die ab 1. November 2024 ihr Amt antreten wird. Swissinfo (SRG) lässt die Welt wissen, dass Wille endlich the «first female head of Swiss public broadcaster» sei.
Watson von CH Media kann sich vor lauter Lobhudelei gar nicht mehr richtig einkriegen und illustriert die Schwärmerei mit Susanne Wille als Superwoman von Photoshop: «Welch ein Glück, dass Susanne Wille Alleskönnerin ist. Es gibt vermeintlich nichts, was die gebürtige Aargauerin nicht kann.»
Selbst der Dienst X bringt viele Positivstimmen.
Fazit des Klein Reports: Der Vorteil von Susanne Wille ist definitiv ihre vage politische Einordnung; wo sie steht, weiss niemand – sie ist die klassische Moderatorin und damit perfekt für das Internetzeitalter, das eh Probleme lieber kuratiert als löst.