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Donnerstag
04.02.2021

TV / Radio

Der Kultursender Rete Due soll zum Musikkanal schrumpfen: Nur noch 10 Prozent gesprochene Beiträge statt 40 Prozent wie bisher ...  (Bild © RSI)

Der Kultursender Rete Due soll zum Musikkanal schrumpfen: Nur noch 10 Prozent gesprochene Beiträge statt 40 Prozent wie bisher ... (Bild © RSI)

Bei Radiotelevisione svizzera (RSI) ist Feuer im Dach. Kurz vor dem Abgang von Direktor Maurizio Canetta soll der Kultursender Rete Due eingedampft werden, wie der Klein Report am Mittwoch bereits ausführlich über den Protest berichtet hat.

Nach den Abbauplänen muss sich der Bundesrat nun die Frage gefallen lassen, ob dabei nicht die SRG-Konzession verletzt wird.

«Lyra» heisst das gross angelegte Sparprojekt, mit dem die Kulturberichterstattung von RSI auf den Kopf gestellt werden soll. In den Ohren der Kritiker des Projekts muss die Anspielung auf das schmeichelhafte Zupfinstrument der griechischen Musen wie eine plumpe Beschönigung klingen. Oder wie bitterer Zynismus.

Der Kultursender Rete Due soll nämlich zu einem Musikkanal umgebaut werden. Der Anteil der gesprochenen Beiträge wird voraussichtlich von aktuell 40 Prozent auf nur noch 10 Prozent verkleinert. Wie schon bei SRF Kultur in der Deutschschweiz wird auch dieser Um- respektive Abbau mit dem Sparzwang und der digitalen Transformation gerechtfertigt.

Kulturinhalte sollen gemeinsam mit Sport und Unterhaltung im Basisprogramm von Rete Uno platziert werden. Die Kritiker befürchten, dass die Kultur zwischen Sport und Unterhaltung elegant untergehen wird.

Kurz nachdem die Pläne Anfang Dezember bekannt wurden, sprang der Funke nach Bern über. SP-Ständerätin Marina Carobbio klopfte am 15. Dezember per Interpellation beim Bundesrat an und fragte nach, ob er nicht auch der Meinung sei, «dass RSI mit dem Projekt zur Neuausrichtung von Rete Due die SRG-Konzession verletzt».

Die Konzession vom 29. August 2018 definiert in Artikel 16 die Radioprogramme für die deutsche, die französische und die italienische Schweiz. Während der erste Kanal der verschiedenen SRG-Sender ein breites Publikum mit Information, gesellschaftlichen Themen und Unterhaltung versorgen muss, richtet sich der dritte Kanal an die jungen Erwachsenen. 

Für das zweite Programm schreibt die noch bis Ende 2022 geltende SRG-Konzession vor, dass es «vorwiegend der klassischen und modernen Kunst und Kultur sowie der Hintergrundinformation gewidmet ist».

Diese per Konzession zwingend verlangte «Hintergrundinformation» sehen die Lyra-Kritiker im Tessin kurz vor dem Untergang. Da sollten auch bei SRF Kultur im Meret-Oppenheim-Turmbau zu Basel die Glocken läuten. Wie der Klein Report aus verlässlicher Quelle weiss, ist für den noch amtierenden RSI-Direktor Maurizio Canetta das Lyra-Projekt «von nationaler strategischer Bedeutung».

Selbst der Publikumsrat der Corsi, der RSI-Trägerschaft, ist in Sorge. Am 18. Dezember hatte er eine «ausführliche Aussprache» mit der RSI-Direktion. Unter anderem befürchtet das Gremium laut eigenem Kommuniqué, dass viele Inhalte von Rete Due «keinen Platz finden könnten auf den anderen Vektoren von RSI». Auch nicht auf den digitalen.

Wer glaubt, Kulturberichterstattung und kulturelle Hintergrundanalysen ungestraft in einen Topf werfen zu können, der habe sich gründlich verrechnet, kritisierte der Publikumsrat die RSI-Direktion weiter. Berichte runterzuschreiben oder Hintergründe zu recherchieren und kritisch einzuordnen, erforderten «sehr unterschiedliche Ressourcen».

39 Mitarbeitende von Rete Due versuchten vor Kurzem das Steuer nochmals rumzureissen. Nach Informationen des Klein Reports entspricht das 75 Prozent aller Angestellten und sogar 85 Prozent aller Journalisten des Kultursenders. 

In einem Protestbrief an RSI-Direktor Maurizio Canetta, RSI-Kulturleiterin Cathy Flaviano, RSI-Radio-Chef Sergio Savoia, SRG-Verwaltungsrat und Corsi-Präsident Luigi Pedrazzini sowie SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina kritisierte das Gros der Rete-Due-Journalisten Mitte Januar die «Demontage» der Kulturabteilung.

«Aber wenn wir über die Unsicherheiten für unsere Arbeit, die das Projekt Lyra unweigerlich mit sich bringt, hinaus ratlos sind, dann deshalb, weil die aktuelle Situation eine Desinvestition der SSR-SRG RSI gegenüber dem kulturellen Angebot widerspiegelt, die seit Langem andauert und weder quantitativ noch qualitativ aufzuhören scheint, und dies trotz des durch die Ablehnung der ‚No-Billag‘-Initiative am 4. März 2018 sanktionierten Volksbeschlusses für den Service public», steht in der scharfzüngigen Protestnote, die dem Klein Report vorliegt.

Rückhalt haben die Journalisten auch in der Bevölkerung. Eine Anfang Dezember lancierte Onlinepetition gegen die Lyra-Pläne ist bis heute über 10‘000-mal unterschrieben worden.