Content:

Sonntag
27.10.2024

Medien / Publizistik

Bei der Stabsübergabe vom 62-jährigen Gilles Marchand an Susanne Wille (50) Ende Mai im Zürcher Leutschenbach...    (Bild: SRF-Screenshot/Klein Report)

Bei der Stabsübergabe vom 62-jährigen Gilles Marchand an Susanne Wille (50) Ende Mai im Zürcher Leutschenbach... (Bild: SRF-Screenshot/Klein Report)

Gilles Marchand hat dem «SonntagsBlick» ein Interview gegeben. Inhaltlich nichts Neues, ausser dass man bei dem Frühpensionierten über ein luxuriöses Leben informiert wird und Marchand sich in vielen Antworten die Absolution gleich selber erteilt.

Marchand, der MeToo in der Romandie als verantwortlicher Direktor nicht wahrgenommen hat, wird mit weiteren Posten überschüttet. Es steht eine Uniprofessur an und Marchand ist ja schon Verwaltungsrat des Filmfestivals Locarno.

Der 62-Jährige wird also wie ein begehrter Jungkarrierist behandelt während Frauen in der Schweiz schon ab 50 zu hören kriegen, sie seien für gewisse Posten leider schon viel zu alt.

Die Zeitung fragt Marchand: «Sie wären 2020 beinahe über die #MeToo-Debatte gestolpert. Ihnen wurde vorgeworfen, als RTS-Direktor nicht entschlossen gehandelt zu haben. Welche Fehler haben Sie gemacht?»

Der frühzeitig aus dem Job verwiesene Funktionär dazu: «Es war ja nicht persönlich. Aber wir haben das Thema nicht früh genug antizipiert. Wir haben zu spät, dann aber sehr entschlossen gehandelt. Das Thema bleibt aktuell. Und ein Direktor ist dafür verantwortlich.»

Damit sagt der ehemalige SRG Generaldirektor eigentlich, dass nicht die sexuelle Belästigung in Schweizer Medien das Problem sei, sondern die Wahrnehmung durch die Direktion.

Zur Erinnerung: Bei #MeToo geht es auch um die strukturelle Benachteiligung und männliche Machtstrukturen gegen Frauen. Dies geschieht durch sexuelle Belästigung, Übergriffe, Einschüchterung, Drohung und Isolierung von begabten Frauen durch Männer, die diese Taktiken nach wie vor für ihr Privileg halten.

Der Soziologe Marchand ist ein Paradebeispiel. Bei den #MeToo-Fällen in der Romandie ging es um sagenhafte 200 Fälle. Davon sind viele mit Sicherheit an zwischenmenschlichen Problemen gescheitert, falsch verstanden, Intrigen, was auch immer.

RTS unter Gilles Marchand ging mit dem juristischen Vorschlaghammer über die Fälle. Fazit: Es wurde alles weggeputzt, eingeschüchtert und danach ein paar weitere Handbücher über den sorgsamen Umgang miteinander publiziert.

Die Mediengewerkschaft SSM hat Marchand im Zusammenhang mit seinem Führungsstil auch schon mal als «Diktator» beschrieben.

Marchand macht, was viele abgehalfterte Funktionäre tun, er sammelt nun lukrative Verbands- und Vereins-Pöschteli. Von der Seitenlinie wird er seiner Nachfolgerin Susanne Wille wahrscheinlich noch das eine oder andere Mal mit seinen Ideologien in den Rücken schiessen.

Der Etatist hat einen grossen persönlichen Kommunikationsstab, der ihn in den Medien präsent halten wird.

Ein Augenschein auf «Le blog de Gilles Marchand» (www.gillesmarchand.ch) lässt unter «Aktuell» tief blicken, wo er das soeben herausgebrachte Jahrbuch Qualität der Medien von der Uni Zürich (fög) kommentiert.

Öffentliche Medien stünden oft im Verdacht, private Medien im Online-Bereich zu verdrängen, war die steile Hauptthese des fög. Marchand startet seinen Blog-Text so: «Nichts lässt darauf schliessen, dass die Onlineangebote des Service public einen direkten Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg der privaten Medien haben.» Das zeige sich auch in einer grossangelegten Studie in Skandinavien.

Dann folgt viel Text aus der Studie, begleitet mit viel Alarmismus und dem Appell am Ende des Blog-Textes: «Anstatt verzweifelt auf Einschränkungen oder gar Verbote für den Service public zu setzen, sollten wir nun wirklich versuchen, die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Medien zu intensivieren. Das ist denn auch die gewichtigste Empfehlung der Studienautorinnen und -autoren der Universität Zürich. Und damit haben sie Recht!»

Aber da hat der ehemalige Medien-Consultant und ehemalige Leiter der Leserforschung und Marketing bei Ringier Romandie und ab 1998 Direktor von Ringier Romandie ja schon vorgesorgt.

Das Medienhaus Ringier, in dem der «SonntagsBlick» erscheint, ist Besitzerin des Grossvermarkters Admeira, der die SRG lukrativ vermarktet. Admeira startete mit der SRG, der Swisscom und Ringier und scheiterte dann am Widerstand der Wirtschaft und der Politik.

Und heute wird der Medienkonzern SRG also von einem privaten Medienhaus vermarktet. Ein ordnungspolitisches Unding. Oder glaubt jemand allen Ernstes, dass der Axel-Springer-Konzern demnächst die ARD vermarktet?