Bei der Umsetzung der Initiative zum Tabakwerbeverbot hat das Parlament ein Hintertürchen eingebaut: Werbung in bestimmten Zeitungen und Zeitschriften soll weiterhin erlaubt sein.
Konkret geht es um Titel, die mehrheitlich im Abonnement verkauft werden und zu mindestens 98 Prozent von Erwachsenen gelesen werden.
Der Bundesrat hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass Tabakwerbung in Print-Podukten verboten sein soll, ausser in Titeln, die hauptsächlich für den ausländischen Markt produziert werden oder die sich nur an Personen richten, die in der Tabakbranche tätig sind.
Der Ständerat hatte den Vorschlag übernommen. Vom Nationalrat wurde der Paragraf dahingehend gelockert, dass zusätzlich auch Tabakwerbung im Innenteil von abonnierten Print-Produkten zulässig sein soll, wenn sie zu mindestens 98 Prozent von Erwachsenen gelesen werden.
Wegen dieses Hintertürchens kamen Zweifel auf, ob der Vokswille genügend respektiert wurde. «Wir hatten zwei Gutachten von Professoren zur Verfügung», sagte Ständerat Pirmin Bischof am Mittwochvormittag in der Ratsdebatte.
Diese seien zu gegenteiligen Schlüssen gekommen. Das eine Gutachten vertrat die Meinung, die Ausnahmeregelung sei verfassungskonform, das andere nicht.
Zudem gab es ein Gutachten des Bundesamts für Justiz. Dieses kam zum Schluss, dass die Regelung «eher nicht verfassungskonform» sei, wie der Solothurner Ständerat weiter ausführte.
Wird die Ausnahmeregelung in der Schlussabstimmung von Stände- und Nationalrat angenommen, dürften in Zukunft etwa 50 Zeitungen und 40 Zeitschriften weiterhin Tabakwerbung publizieren.
Ständerätin Flavia Wasserfallen hat sich die Wemf-Zahlen angeschaut und dabei festgestellt, dass vierzehn Print-Titel aufgrund der 98-Prozent-Regel den Status wechseln, wenn man die Zahlen vom Mai 2024 mit jenen vom November 2024 vergleicht.
«Das ist wirklich das Absurde daran. Die Zeitungen und Zeitschriften müssen dann alle sechs Monate schauen, ob sie sich über oder unter dieser Grenze befinden und ob sie noch Tabakwerbung aufnehmen dürfen oder nicht. Und wer kontrolliert das dann?», fragte die Berner Ständerätin in den Ratssaal.
«Ob man die Inserate zulassen will, wenn man darf, ist eine Frage der Unternehmenspolitik», konterte der Zuger Ständerat Matthias Michel an die Adresse der Verlage.
Ausserdem hätten selbst die Initianten gemäss Michel ihr Volksbegehren «nicht so streng ausgelegt» und es für «denkbar» gehalten, im Innenteil von Zeitungen auch in Zukunft Tabak-Inserate zu haben.
Tatsächlich reagiert die Initiativgruppe «Kinder ohne Tabak» milde auf das Geschacher im Parlament. Die Umsetzung der Volksinitiative habe einen «versöhnlichen Abschluss» gefunden. Zwar sei der Verfassungsauftrag nicht in allen Punkten vollumfänglich erfüllt worden, «doch eine Mitte-Links-Mehrheit hat tragfähige Kompromisse gefunden, die auch für die Trägerschaft der Initiative akzeptabel sind», hiess es in einem Statement vom Mittwoch.
Neben der Print-Werbung soll gemäss dem Gesetzesentwurf auch der Verkauf von Tabakprodukten durch mobiles Verkaufspersonal im öffentlichen Raum erlaubt sein. Und die Verkaufsförderung von Zigarren und Zigarillos durch Degustationen und Kundenpromotionen soll dann möglich sein, wenn sie sich ausschliesslich an Erwachsene richtet.
Am 13. Februar 2022 hatte die Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» angenommen. Damit wurde die Bundesverfassung ergänzt unter anderem mit dem Satz: «Der Bund verbietet namentlich jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht.»
Das ist ein Paradigmenwechsel. Bisher war Werbung nur verboten, die sich explizit an Minderjährige richtet. Mit der Volksinitiative ist Tabakwerbung, die Minderjährige erreichen kann, generell verboten.