Trotz schwächelndem Print-Lesermarkt gibt es sie noch, die Gewinner: Entgegen dem Markttrend konnten das «NZZ Folio» sowie die «Wochenzeitung» (WOZ) neue Leserinnen und Leser für sich gewinnen.
Auf der anderen Seite haben Tamedia und Ringier mit ihren Paradetiteln «20 Minuten», «Blick», «Blick am Abend» sowie «SonntagsBlick» in den letzten sechs Monaten erneut signifikant an Reichweite und Leserschaft eingebüsst. Die Gründe für den Rückgang sind unterschiedlich, wie die Verantwortlichen der Medienhäuser gegenüber dem Klein Report erklären.
«Das ist das Resultat einer leicht reduzierten Auflage sowie gleichzeitig eine Auswirkung unserer konsequenten Mobile-First-Strategie», erklärt Marcel Kohler, Leiter 20 Minuten und Mitglied der Unternehmensleitung von Tamedia. Die aktuellen Wemf-Zahlen zeigen, dass «20 Minuten» im letzten Halbjahr 1,4 Prozent Reichweite sowie 36 000 Leserinnen und Leser verloren hat (-2,5 Prozent). Das wirkt sich auch auf die Print-Anzeigen aus. «Der strukturelle Rückgang im Printgeschäft geht natürlich auch an `20 Minuten` nicht vorbei. Jedoch gehen wir davon aus, dass wir auch in Zukunft unsere marktführende Position halten und weiter ausbauen können», so Kohler.
Auch «Blick am Abend» mit einem Minus von 49 000 (-7,3 Prozent) und der «SonntagsBlick» mit einem Minus von 42 000 (-6,7 Prozent) kämpfen mit abnehmenden Leserzahlen. Besonders signifikant ist die Abnahme beim «Blick», der im Vergleich zu den Wemf-Zahlen von vor einem halben Jahr 72`000 Print-Leserinnen und Leser verloren hat (-12 Prozent). Danja Spring, CCO von Ringier, begründet den Rückgang unter anderem mit abnehmenden Verkäufen am Kiosk.
«Die Abverkäufe am Kiosk schrumpfen leider überproportional stärker als die Abos», so Spring. Deshalb musste vor allem der «SonntagsBlick» Einbussen hinnehmen, obwohl die Abozahlen «seit fünf Jahren stabil bei rund 101 000» liegen. Dass es anderen Sonntagszeitungen wie der «Schweiz am Sonntag» oder der «NZZ am Sonntag» gelungen ist, sich einigermassen stabil zu halten, begründet Spring damit, dass «die genannten regionalen Sonntagszeitungen meist zu einem attraktiven Preis zusätzlich zur regionalen Tageszeitung abonniert werden können».
Während auch der «Blick», trotz stabiler Abonnementszahlen, unter den kleineren Verkaufszahlen am Kiosk leidet, sei beim «Blick am Abend» das «veränderte Mediennutzungsverhalten und die Verlagerung in den Digitalbereich» für die reduzierte Leserzahl verantwortlich. «Das Anzeigenvolumen verschiebt sich tendenziell entlang der Lesernutzung, sprich, es ist eine Verlagerung in Online-Marken spürbar», erklärt Danja Spring. Ähnlich konstatiert auch Marcel Kohler von Tamedia: «Wir können den Rückgang im Printgeschäft durch das Online-Wachstum kompensieren.»
Entgegen dem allgemeinen Trend konnte sich die NZZ, die 10 000 Leserinnen und Leser verloren hat (-3,9 Prozent), vergleichsweise stabil halten. Gemäss Wemf MACH Basic 2016-2 ist die Reichweitenveränderung mit -0,2 Prozent nicht signifikant. Als wichtigste Gründe nennt Steven Neubauer, Geschäftsführer der NZZ Medien, die «hervorragende Arbeit unserer Redaktionen» sowie die Qualität der journalistischen Inhalte. «Damit können wir uns von der Konkurrenz abheben», meint Neubauer. «Darüber hinaus sind wir deutlich besser darin geworden, Abonnenten zu halten und neue zu gewinnen.»
Das «NZZ Folio» konnte sogar um 0,7 Prozent Reichweite und 32 000 Leserinnen und Leser (+8,6 Prozent) zulegen. Das «Folio» besetze mit seinen klaren Schwerpunkten und der monothematischen Ausrichtung eine «klare Nische», begründet Neubauer und meint weiter: «In einer zunehmend schnelllebigen Zeit bedient das `NZZ Folio` das Bedürfnis, Themen einzuordnen und zu vertiefen.»
Eine generelle Empfehlung für Medienhäuser, die mit Minustendenzen zu kämpfen haben, sei «schwierig», so Steven Neubauer. «Wir selber haben stark in den Lesermarkt und unsere Vermarktungsfähigkeiten investiert und bauen diese weiter aus. Dort vermute ich bei vielen anderen Medienhäusern noch Verbesserungspotenzial.»
Neben dem «NZZ Folio» konnte einzig die WOZ ebenfalls signifikant an Reichweite zulegen, nämlich um 0,5 Prozent und 21 000 Leserinnen und Leser. Davon zeigt sich Camille Roseau, verantwortlich für Marketing, Werbung sowie (digitale) Weiterentwicklung bei der WOZ, «erfreut und überrascht» zugleich. «Wir haben im letzten Jahr bei den Abos und dem Kioskverkauf stetig zugelegt», so Roseau. Mit ein Grund dafür sei, dass man in dieser Zeit «sehr öffentlichkeitswirksam aktiv» war: So wurden im letzten Winter Plakatkampagnen mit Pedro Lenz und Alex Capus «gegen die Entrechtungsinitiative der SVP» durchgeführt. «Zudem realisieren wird seit etwa einem Jahr Thementrailer für herausragende WOZ-Geschichten und verbreiten sie über Social Media. Dabei erreichten wir recht hohe View-Zahlen», meint Roseau weiter.
Hauptgrund für die guten Zahlen sei allerdings die «publizistische Arbeit unserer Redaktion», auch wenn man berücksichtigen müsse, dass die effektiven LeserInnenzahl bei der WOZ, verglichen mit anderen Titeln, «noch eher bescheiden» sei. Auch Camille Roseau hat kein universell gültiges Erfolgsrezept für andere Medienhäuser. «Durch unsere Organisation als Genossenschaft - alle MacherInnen sind zugleich EigentümerInnen der Zeitung - stehen wir nicht unter einem absurden Renditezwang, sondern haben gute und faire Arbeitsbedingungen. Ich könnte mir vorstellen, dass diese organisatorische Besonderheiten Grundlage sind für unsere gute Arbeit und indirekt Basis für eine höhere Reichweite.»