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Sonntag
15.01.2023

Medien / Publizistik

Alain Berset und Marc Walder: Auf Twitter wird bereits hitzig kommentiert unter dem Hashtag #waldergate...

Alain Berset und Marc Walder: Auf Twitter wird bereits hitzig kommentiert unter dem Hashtag #waldergate...

Die Zeitungsgruppe CH Media landet «einen Scoop der Extraklasse», kommentierte Inside Paradeplatz am Samstag. Unter dem Anreisser «Sehr unter uns» nahm gleichentags auch die «Neue Zürcher Zeitung» die Story auf.

«Bin in einer ungemütlichen Situation», zitierte «20 Minuten» eine Aussage von Alain Berset zu den «Corona-Leaks», die jetzt die Schweizer Medien fluten.

Auslöser sind vertiefte juristische Untersuchungen und nun ein Bericht in der «Schweiz am Wochenende» zu den «intensiven» Kontakten zwischen Peter Lauener, dem ehemaligen Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset, sowie Ringier-CEO Marc Walder während der Coronapandemie.

Alain Bersets ehemaliger Kommunikationschef Peter Lauener steht demnach im Verdacht, Ringier-CEO Marc Walder vertrauliche Informationen zur Corona-Politik des Bundes per E-Mail zugespielt zu haben.

«Ringier-CEO Marc Walder und SP-Bundesrat Alain Berset haben vergessen, welches ihre Rollen sind. Ein Medienmanager braucht Distanz und die Schweiz einen starken Bundespräsidenten, nicht Klüngelei und nette Berichterstattung», meint zu den Enthüllungen Chefredaktor Arthur Rutishauser in seinem Kommentar in der «SonntagsZeitung». Der Mann von den Tamedia-Zeitungen doppelt nach: «Wir brauchen keinen Homestory-Helden».

Und auch bei der «Aargauer Zeitung» wird zu den Enthüllungen nachgedoppelt: «Wie immer vertraulich» – so habe Bersets Departement den «Blick» mit geheimen Corona-Mails «gefüttert», oft mit Vermerken wie «Sehr unter uns» oder eben: «Wie immer vertraulich».

Die Fakten: Alain Bersets Kommunikationschef Peter Lauener belieferte den Verlagschef von Ringier mit Informationen zur Coronapolitik des Bundesrats. Einvernahmeprotokolle und E-Mails, die der «Schweiz am Wochenende» vorliegen, zeigen, wie intensiv die Kontakte waren – und wer auf wen Einfluss nahm.

Bundesrat Alain Berset wurde als Auskunftsperson am 21. Mai 2022 ins neue Polizei- und Justizzentrum in Zürich vorgeladen, wie damals auch der Klein Report berichtete. Seine Einvernahme habe vier Tage nach jener von Bersets Kommunikationschef  Lauener stattgefunden. Lauener selber sei auch anwesend gewesen, als Berset befragt wurde.

Untersucht wurde, wie während der Coronapandemie viele Entscheide des Bundesrats frühzeitig ans Verlagshaus Ringier durchsickern konnten.

Lauener wurde wegen des Verdachts auf Amtsgeheimnisverletzungen verhaftet und sass in Untersuchungshaft. Das aber im Zuge von Abklärungen rund um die Crypto-Affäre. Der pensionierte Zürcher Oberrichter Peter Marti ist im Zuge seiner Ermittlungen aus seiner Sicht auf weiteres Fehlverhalten gestossen.

Der Sonderermittler, der von der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) eingesetzt worden war, liess den ehemaligen Kommunikationschef des Innendepartements von Berset im Frühling kurzzeitig festnehmen und stellte einen Antrag auf Untersuchungshaft. Auch Ringier-CEO Marc Walder wurde damals vernommen. Denn der «Blick» wusste während der Pandemie eben auffällig oft frühzeitig Bescheid über bundesrätliche Entscheide.

Wie der «Tages-Anzeiger» schrieb, habe die Aufsichtsbehörde «Marti in einem geheim gehaltenen Entscheid auch mit den Corona-Untersuchungen betraut». Und Sonderermittler Peter Marti machte geltend, sein Crypto- und sein Corona-Verfahren hingen «letztlich miteinander zusammen».

Nun veröffentlichte Ermittlungsprotokolle zeigen, dass sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) während der Pandemie «vom Ringier-Verlag einspannen liess». Alain Bersets ehemaliger Kommunikationschef informierte den Ringier-CEO regelmässig über anstehende Bundesratsgeschäfte.

Berset bestreitet, von den Indiskretionen seines Kommunikationschefs gewusst zu haben. Politikerinnen und Politiker fordern allerdings, dass jetzt geklärt wird, ob der Gesundheitsminister die Wahrheit sage. Andere verlangen seinen Rücktritt.

Walder selbst sagte bei der Einnahme durch Sonderermittler Peter Marti, er habe während der Pandemie «vielleicht wöchentlich» Kontakt mit Lauener gehabt.

Auf eine Anfrage zu den E-Mails, die er an den Chef von Ringier geschickt hatte, reagierte Peter Lauener gegenüber der «Schweiz am Wochenende» nicht.

Einen neuen Aspekt in die Geschichte bringt Lukas Hässig mit seinem Inside Paradeplatz ein. Für ihn könnten die Indiskretionen noch ein «Nachspiel wegen Insider haben». Wer im richtigen Moment auf die Impf-Produzenten Biontech und Moderna setzte, wurde reich. Und als sich im November 2020 eine sehr kleine Delegation, bestehend aus Pharma-Chefs und hochrangigen Angehörigen des Eidgenössischen Departements des Innern, auf die erste grossangelegte Impfstofflieferung einigte, titelte der «Blick» auf der Frontseite: «Schweiz bekommt den Impfstoff!».

Am Dienstag, 10. November 2020, liess Bersets Vertrauensmann Peter Lauener seinen Ringier-Vertrauten Walder von einem 100 Millionen-Impfdeal wissen.

Die Bewegungen, die anschliessend an den Börsen zu beobachten waren, sind noch einmal eine andere Geschichte. «In der heissen Phase rund um die Vorab-Info aus Bundesrat Bersets Vorzimmer direkt an Ringier-CEO Marc Walder gabs dann nochmals Schub für den Titel des Impfherstellers», schreibt Inside Paradeplatz rund um die Aktie des deutschen Biotechnologieunternehmens Biontech, das seit Ende 2019 börsenkotiert ist.

Ringier-CEO Marc Walder hatte nach der Coronapandemie bereits Schlagzeilen gemacht, als bekannt wurde, dass er in einem Business-Talk vor der Schweizerischen Management-Gesellschaft in einem Videocall sagte: «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt –, auf meine Initiative gesagt, wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, damit wir gut durch die Krise kommen.»

Die entsprechenden Aussagen machte Marc Walder am 3. Februar 2021 im Rahmen der Gesprächsreihe «Inspirational Talk». Der «Nebelspalter» veröffentlichte Teile des Videos ein Jahr später. Die medialen Wogen gingen hoch und Ringier-Verleger Michael Ringier selber schoss kurzerhand auf der Titelseite des «Blicks» gegen den «Nebelspalter» zurück.