Immer mal wieder beschweren sich sogenannte «Querulanten» bei den Ombudsstellen oder der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Doch wo endet eigentlich legitime Medienkritik und wo beginnt starrköpfige Nörgelei?
Der Klein Report sprach mit UBI-Präsidentin Mascha Santschi über pauschale Rundumschläge, persönliche Beschimpfungen und über die Verfahrenskosten, welche die Radio- und TV-Sender auch dann tragen müssen, wenn sie journalistisch alles richtig gemacht haben.
Die Kosten für Beanstandungsverfahren vor der Ombudsstelle hat im Normalfall der betroffene Programmveranstalter zu tragen. Ausnahmsweise kann die UBI bei einer «mutwilligen Beanstandung» auf Antrag der Ombudsstelle oder des Programmveranstalters die Verfahrenskosten der Person auferlegen, welche die Eingabe eingereicht hat (Artikel 93 des Radio- und TV-Gesetzes). Das anschliessende Verfahren vor der UBI ist für den Veranstalter hingegen grundsätzlich kostenlos, doch können auch hier dem Beschwerdeführer bei Mutwilligkeit die Verfahrenskosten überbunden werden. Was bedeutet «mutwillige Beanstandung»?
Mascha Santschi: «Grundsätzlich kann jede Person formlos eine Beanstandung bei der Ombudsstelle einreichen. Dies im Gegensatz zu einer (späteren) Beschwerde bei der UBI, wo gewisse formelle Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Die Hürde für die Bejahung von Mutwilligkeit bei einer Beanstandung – also vor der Ombudsstelle – ist sehr hoch, auch weil in diesem ‚Schlichtungsverfahren‘ nicht mit Kosten gerechnet werden muss. Kommt hinzu, dass die Ombudsstelle den Beanstander zuerst unmissverständlich auf die mögliche Kostenauferlegung bei einer nächsten Beanstandung hingewiesen haben muss, bevor sie solche Kosten tatsächlich verfügen darf.»
Und was wäre «mutwillig» – können Sie ein Beispiel nennen?
Santschi: «Mutwilligkeit vor der Ombudsstelle liegt etwa vor, wenn ein Beanstander Vermittlungsversuche ignoriert, also etwa die Einladungen zu einem Gespräch mit der Redaktion. Sie kann aber auch bejaht werden, wenn immer wieder undifferenziert die gleichen Vorwürfe geäussert werden, wenn nicht der Schutz berechtigter Interessen im Zentrum steht, sondern das Beschimpfen der Veranstalterin, und wenn Beanstandungen wiederholt völlig chaotisch oder allzu pauschal eingereicht werden, sodass nicht ersichtlich ist, welche Sendung der Beschwerdeführer aus welchen konkreten Gründen eigentlich rügen will.»
Wie häufig kommen solche Anträge um Kostenverletzung überhaupt vor? Wie oft wird ihnen durch die UBI stattgegeben?
Mascha Santschi: «Anträge auf Kostenauferlegung wegen Mutwilligkeit erreichen uns vonseiten der Ombudsstelle sehr selten, bisher erst vier Mal. Das ist auch richtig so, denn es widerspricht an sich ihrer Aufgabe, zwischen den Parteien zu vermitteln. Die UBI gab zudem noch keinem solchen Antrag statt. Teils, weil eine vorgängige rechtsgenügliche Androhung des Kostenrisikos fehlte, teils, weil nicht alle Rügen des Beschwerdeführers unbegründet waren.»
Im Jahr 2021 hat die UBI laut Geschäftsbericht über drei solche Anträge entschieden. Um welche Streitpunkte handelte es sich dabei?
Santschi: «Ein erster Beanstander rügte wiederholt, dass bei SRF immer nur von Rechtsextremen die Rede sei und nie von Linksextremen. Ein zweiter Beanstander monierte ständig, dass SRF Sachverhalte kommentiere und einordne und so Emotionen schüre, statt einfach nur nüchtern über belegte Fakten zu informieren. Im dritten Fall war eine private Fernsehveranstalterin aus der Romandie betroffen, gegen welche eine Lokalpolitikerin – es ging um eine Berichterstattung über Mietsachen – eine Beanstandung eingereicht hatte.»
In einem Fall stellte die UBI laut Jahresbericht fest, dass das Verhalten des Beanstanders einen «querulatorischen Charakter» zeige. Wo endet für die UBI berechtigte Medienkritik und wo beginnt illegitimes Nörgeln?
Mascha Santschi: «Das lässt sich so allgemeingültig nicht sagen, sondern hängt immer vom Einzelfall ab. Wenn die Beanstandungen einem reinen Selbstzweck dienen, quasi Schikane sind, den Betrieb blockieren, primär Rundumschläge und Beschimpfungen beinhalten, wenn darin wiederholt politisch motivierte, nicht rechtlich-relevante ‚Rügen‘ im Vordergrund stehen oder frühere Hinweise bezüglich der Anforderungen an Eingaben konsequent ignoriert werden, dann kann dieses Verhalten querulatorischen Charakter haben.»
Und mit welchem Verhalten fiel der im Jahresbericht genannte «Querulant» im letzten Jahr auf?
Santschi: «Im erwähnten Fall ging es um einen Beanstander, der Dutzende von gleichartigen Beanstandungen bei der Ombudsstelle eingereicht hatte, Einladungen zu Schlichtungsgesprächen nicht nachgekommen war und im Anschluss an die ihn nicht zufriedenstellenden Berichte trotzdem nie – wie verfahrenstechnisch ja eigentlich vorgesehen – an die UBI gelangte. Er ignorierte bei seinen Eingaben zudem alle rechtlichen Hinweise der Ombudsstelle.»
Ein anderes Beispiel...?
Mascha Santschi: «Wenn eine Person, welche zur Individualbeschwerde nicht legitimiert ist, immer wieder mit Popularbeschwerden an die UBI gelangt und die erforderlichen 20 Unterschriften – auch nach Ansetzen einer Nachfrist – nicht vorlegt, obwohl ihm diese gesetzliche Vorgabe mittlerweile bestens bekannt ist, dann bewerten wir dies als querulatorisches Verhalten. Wir können diese Beschwerden nämlich nicht einfach ins Altpapier shreddern, sondern müssen jedes Mal – mangels erfüllter Prozessvoraussetzungen – einen offiziellen Nichteintretensentscheid verfassen. Kurz: Querulatorische Eingaben verursachen sehr viel Aufwand.»
Nahm das Querulieren in der letzten Zeit zu?
Santschi: «Ja, ich beobachte einen leichten Anstieg dieser Fälle, allerdings verursacht durch meistens die gleichen, uns bereits seit längerer Zeit bekannten Personen.»
Für lokale private Radio- oder TV-Veranstalter seien die Kosten eines Ombudsverfahrens kein Zuckerschlecken, kritisierte ein betroffener Veranstalter im letzten Jahr. Was kostet denn ein Ombudsverfahren konkret?
Mascha Santschi: «Die Kosten des Ombudsverfahrens trägt grundsätzlich die Veranstalterin. Die Ombudsstellen der privaten Veranstalter kalkulieren mit dem Ansatz gemäss Verordnung (220 Franken pro Stunde). Im besagten Fall ging es um Kosten von insgesamt knapp 1000 Franken. Der Vollständigkeit halber: Auch die SRG trägt die Kosten für ihre eigenen Ombudsstellen in allen Sprachregionen selbst, doch sind diese Personen in fixen Pensen angestellt.»
Und wie ist es bei der UBI?
Santschi: «UBI-Verfahren sind für die Veranstalter hingegen stets kostenlos. Gemäss Gesetz kann die UBI bei Mutwilligkeit des Beschwerdeführers diesem aber ebenfalls eine Gebühr innerhalb eines Kostenrahmens von CHF 100 bis 5000 auferlegen. Bei Nichteintretensentscheiden bewegt sich diese Gebühr jedoch im unteren Rahmen.»
Ist es nicht unfair, dass ein privater Veranstalter zahlen muss, selbst wenn eine Beanstandung offensichtlich unbegründet ist?
Mascha Santschi: «Die Kostentragungsregelung entspricht dem Willen des Gesetzgebers und die UBI verfügt hier über kein Ermessen. Eine finanzielle Belastung der privaten Veranstalter durch die Beanstandungsverfahren ist aber nicht von der Hand zu weisen. Nicht ganz zu befriedigen vermag diese Situation insbesondere dort, wo eine Beanstandung aus juristischen Gründen von Anfang an aussichtslos ist, aber deswegen noch lange nicht mutwillig (es sei denn, die Eingabe erfolgte einzig aus dem Grund, damit dem Veranstalter Kosten entstehen). Eine versöhnliche Vermittlung zwischen den Parteien ist aber zumindest auch in diesen Fällen möglich.»
Wie verteilen sich die Beanstandungen zwischen den SRG-Kanälen und den privaten Radios und TVs?
Santschi: «Die Beanstandungen gegen private Veranstalter machen insgesamt nur einen ganz kleinen Teil aus, denn der allergrösste Teil der Reklamationen richtet sich gegen die Programme der SRG. Gegen private Veranstalter gehen jährlich rund 20 Beanstandungen ein. Die privaten Veranstalter haben je Sprachregion eine eigene Ombudsstellen. Im Gegensatz zu den SRG-Ombudsstellen werden diese von der UBI bestimmt und beaufsichtigt.»