Bei grossem Medieninteresse ist am Freitag ein erster Teil der Untersuchungen zum «Rochebin-Gate» präsentiert worden. Zahlreiche Kommentare bemängeln, dass nach den Erkenntnissen zu den Belästigungsvorwürfen bei RTS «nur» der TV-Chefredaktor Bernard Rappaz und der Leiter der Personalabteilung den Sender verlassen müssen. SRG-Generaldirektor Gilles Marchand und RTS-Chef Pascal Crittin dürfen bleiben.
Bauernopfer? Der jetzt definitiv entlassene Rappaz hat sich bereits im November 2020 «freiwillig» zurückgezogen.
Deutlich wird das Syndicat der Medienschaffenden: «Das SSM sieht einen kulturellen Wandel mit den fast gleichen Schlüsselpersonen umzusetzen, als nicht zielführend und unglaubwürdig an. Das stellt auch der Untersuchungsbericht auf Seite 7 klar fest», schreibt die Gewerkschaft in ihrer Stellungnahme.
Für die beim Syndicom organisierten Medienschaffenden reichen die getroffenen Massnahmen nicht aus, «um das Vertrauen der SRG-Mitarbeitenden in die SRG-Führung wiederherzustellen».
Das SSM als Mitauftraggeber verfügt über eine anonymisierte und zusammengefasste Fassung des Untersuchungsberichts sowie über die Verantwortungskette. Das erlaube die Gewerkschaft heute zur Frage, inwieweit die Auslegung des Berichts mit den heute kommunizierten Entscheidungen des Verwaltungsrates übereinstimmten.
«Daher behält sich das SSM vor, den Bericht und die Situation gründlich und kritisch zu analysieren und dabei auch die Haltung des Personals miteinzubeziehen.»
Das SSM sieht die Rolle des SRG-Direktors Gilles Marchand «weiterhin als problematisch», weil er in mindestens einem Fall 2014 durch das SSM informiert worden war und nicht adäquat gehandelt hatte.
Nach Bekanntwerden der Vorfälle erklärte er öffentlich, dass er nichts von den Vorfällen gewusst habe. «Dies hat zu einem Vertrauensbruch beim Personal der SRG geführt.»
Nun stehe für das SSM im Vordergrund, «Lösungen vorzuschlagen, um neue Krisen zu vermeiden». Daher verlangt das SSM die rasche Umsetzung von zwei strukturellen Massnahmen, die zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Führung unerlässlich sind. So sollen künftig die Mitarbeitenden bei der Ernennung von Führungskräften mitbestimmen können und die Mitarbeitenden sollen in Entscheidungsprozesse frühzeitig miteinbezogen werden.
«Echte Mitbestimmung hat den grossen Vorteil, die Legitimität von Führungsentscheidungen zu erhöhen und die Ergebnisse zu verbessern. Denn undurchsichtige Prozesse und ein zu ausgeprägtes Top-Down-Management waren noch nie vertrauensfördernd.»
Das SSM verdankt die Zivilcourage und den Mut der vielen Mitarbeitenden, welche ihre negativen Erlebnisse öffentlich machten und somit den Stein ins Rollen brachten und damit die Untersuchungen darüber ermöglichten.
Das SSM erwartet nun mit grossem Interesse den auf Ende Juni angekündigten Bericht, welcher auf der Grundlage der 230 Zeugenaussagen vom beauftragten Anwaltskollektiv verfasst wird. Dies im Rahmen des Mandats zur Analyse über die Funktionsweise des Unternehmens.