Content:

Samstag
14.05.2022

Medien / Publizistik

Bundesgerichts-Entscheid überzeugt nicht...

Bundesgerichts-Entscheid überzeugt nicht...

Ein Kommentar der (nicht aktivlegitimierten) Press Media AG, Herausgeberin des Klein Reports zu einem Entscheid des Bundesgerichts vom 17. Februar 2022 

Der Klein Report führte Klage gegen die Schweizer Mediendatenbank und die Swissdox betreffend Urheberrecht und Weiterverwertung. Swissdox ist eine Tochtergesellschaft der SMD und bietet regelmässig die bei ihr archivierten Artikel gegen Barzahlung der Öffentlichkeit an. Die SMD gehört Ringier, Tamedia und der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. 

Die Press Media AG, die den Klein Report herausgibt, verlangte für das aus ihrer Sicht verletzte Urheberrecht an ihren Artikeln Schadenersatz für entgangene Werbeeinnahmen und Herausgabe der von SMD und Swissdox damit erzielten, aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Gewinnen.

Das Bundesgericht wies die Urheberrechtsklage – entgegen seiner Erwägungen im Urteil, dass die Rechte an einem Werk grundsätzlich dem Urheber beziehungsweise durch vertragliche Rechteübertragung ihrem Arbeitgeber gehören – mangels Aktivlegitimation der Press Media AG ab.

Der Entscheid des Bundesgerichts überzeugt in mehrfacher Hinsicht nicht:

Das Bundesgericht hat die Tatsache ignoriert, dass der Klein Report in mehreren Fällen mittels Arbeits- und Mitarbeitsverträgen sowie Zeugenaussagen nachgewiesen hat, dass viele der streitgegenständlichen Artikel, die die SMD ohne entsprechende Autorisation und ohne irgendwelche Abgeltung in ihre Mediendatenbank übernommen hat, rechtsgültig auf die Klägerin (Press Media AG) übertragen worden sind. Der Klägerin die Aktivlegitimation für sämtliche eingeklagten Artikel zu versagen, beruht daher auf einer ungenügenden und unvollständigen Beweiswürdigung.

Das Bundesgericht hat es unterlassen, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die SMD die Rechteinhaberschaft der Press Media AG an den Artikeln des Klein Reports gar nicht bestritten hat, sondern im Gegenteil sämtliche übernommenen Artikel in ihrer Mediendatenbank mit «© kleinreport.ch» bezeichnet und damit die Aktivlegitimation der Press Media AG anerkannt hat.

Das Bundesgericht hat in Bezug auf die Artikel, bei denen der jeweilige Autor nicht angegeben wurde, die Anwendung von Art. 8 Abs. 2 URG zu Unrecht versagt. Art. 8 Abs. 2 URG sieht vor, dass «solange die Urheberschaft ungenannt oder bei einem Pseudonym oder einem Kennzeichen unbekannt bleibt, diejenige Person das Urheberrecht ausüben kann, die das Werk herausgibt. Wird auch diese Person nicht genannt, so kann das Ur­he­ber­recht ausüben, wer das Werk veröffentlicht hat». Damit ist klar, dass die Press Media AG als Herausgeberin des Klein Report die Urheberrechte an sämtlichen Artikeln, die nicht von einem bestimmten Autor gekennzeichnet sind, ausüben kann.

Mit der überspannten Anforderung an die Bezeichnung der einzelnen Artikel mit dem Namen des jeweiligen Autors verkennt das Bundesgericht auch die Gefahren, die Journalistinnen und Journalisten drohen können, wenn sie über heikle Themen berichten und dafür ihren Namen angeben müssen. Solche Artikel, die zum Beispiel im Investigativjournalismus verbreitet sind, bleiben nach der bundesgerichtlichen Argumentation «urheberrechtslos», das heisst, sie können von jedem ungefragt und unentgeltlich übernommen werden.

Damit widerspricht die bundesgerichtliche Argumentation auch der vernünftigen Geschäftslogik, wonach jedes Kreativwerk, zu denen selbstverständlich auch journalistische Beiträge gehören, ein schützenswertes Immaterialgut darstellt. Sind solche Werke aber, nur, weil sie nicht namentlich gezeichnet sind, fremden Übernahmen schutzlos ausgeliefert, wird das Werk im eigentlichen Sinne entwertet.

Damit ist das fragliche Urteil des Bundesgerichts auch eine schlechte Nachricht für die gesamte Medienbranche. Denn jeder Verleger muss sich künftig zweimal überlegen, ob er in schutz- und damit wertlose Güter investieren will.

Und die Branche darf sich dann auch nicht wundern, wenn Mediendatenbanken, Suchmaschinen (Google) und andere verlagsfremde «Anbieter» von solchen Werken profitieren, ohne selber irgendwelche Investitionen in deren Kreation geleistet zu haben. «Leistungsschutz ade»!

Ursula Klein, Gründerin, Chefredaktorin und Verlegerin des Klein Reports, Herausgeberin Press Media AG, Zürich.