Das Schweizer Fernsehen hat am Dienstag im «Club» auf SRF1 zu einer Diskussion über sich selbst eingeladen. Unter dem Stichwort «Service public: Auslaufmodell?» sollen sich sechs Gäste über die Finanzen und den Inhalt des «Service public» unterhalten.
Die Erwartungen schraubt SRF aber bereits mit dem Hinweis auf die Sendung herunter. «Die einen wollen die SRG am liebsten ganz abschaffen. Andere kämpfen für ihren Schutz», heisst es in der Beschreibung der Sendung auf srf.ch. Der Auftrag der SRG ist gemäss dem Sender «klar»: Die SRG «muss informieren und die Bedürfnisse von Minoritäten und Randregionen abdecken».
Ganz so klar scheint der Auftrag den Verantwortlichen aber selbst nicht zu sein, denn einige Zeilen weiter unten wird die Frage aufgeworfen, was denn nun wirklich mit diesem Auftrag gemeint ist. «Gehören Unterhaltungssendungen wie `Glanz & Gloria` und `Musikantenstadl` zum öffentlichen Auftrag?», fragt sich der staatliche Sender gleich selbst. Eine originelle Fragestellung ist etwas anderes, findet der Klein Report. Diese Fragen hätte man sich schon früher stellen können.
Die Erwartung auf eine kritische Debatte schmälert aber erst recht die Gästeliste: Die Gesprächsteilnehmer heissen Martin Candinas, Nationalrat CVP/GR, Nick Lüthi, Redaktor «Medienwoche», Urs Meister, Projektleiter Avenir Suisse, Karin Müller, Chefredaktorin Telebasel (ab 1. November) und Claudio Zanetti, Kantonsrat SVP/ZH, Verein «No Billag». Und für einmal stellt sich auch Roger de Weck, Generaldirektor SRG, wieder in einer Diskussionsrunde der Kritik, wenn denn überhaupt solche kommen sollte.
Denn in den kurzen Stellungnahmen, die im Hinweis auf die Sendung online publiziert wurden, ist wenig Kritik und Gehaltvolles herauszulesen. «Verliert die SRG die Gebühreneinnahmen oder werden diese minimiert, dann bekommt die Schweiz eine eintönige, eingekaufte Medienlandschaft, wo das typisch Schweizerische fast ganz verloren geht», so der CVP-Nationalrat Martin Candinas.
«Service public ist so lange kein Auslaufmodell, wie er von Bevölkerung und Politik gewollt ist und finanziell getragen wird. Diesen Rückhalt geniesst das schweizerische Modell weiterhin sehr stark. Darum ist der Service public ein Zukunftsmodell», orakelt Nick Lüthi, der möglicherweise vom Referendum des Gewerbeverbandes noch nichts gehört hat.
«Vor dem Hintergrund des enormen Umbruchs der digitalen Medien sind sichere Quellen und Qualitätsjournalismus unabdingbar. Und das kann nur durch öffentliche Gelder - sprich Gebühren - gewährleistet werden», stellt Karin Müller eine seltsame Kausalität zwischen Gebühren und Qualität her.
Und auch Roger de Weck steht selbstverständlich hinter seinem Unternehmen: «Der Service public bringt nicht nur das Interessante, das beim breiten Publikum `zieht`, sondern auch das Relevante, das journalistisch attraktiv aufbereitet und dadurch interessant wird.»
Kritik äussert immerhin Urs Meister, der mit Avenir Suisse wohl den Anlass für die Diskussion geliefert hat. «Bisher getrennte Mediengattungen treffen sich daher neu im Internet, wo der Wettbewerb immer schärfer wird», sagte der Vertreter von Avenir Suisse. «Dies macht auch neue Regeln für den gebührenfinanzierten Service public der SRG nötig.»
Und einer ist mit der Leistung der SRG gar nicht zufrieden. «Die SRG schafft es auch mit Gebührengeldern nicht, ein informatives und ausgewogenes Programm anzubieten», so Zanetti.
Roger de Weck hat also gerade einmal zwei Kritiker in der Runde seines Senders, denen er erklären kann, weshalb die SRG am ehesten Relevantes liefere. In seinen Worten lautet die Abgrenzung zu den privaten Anbietern so: «Kommerzielles Fernsehen ist fast immer Boulevardfernsehen. Denn Boulevard ist ein ökonomisches Prinzip: Wer mit minimalem Aufwand die maximale Zuschauerzahl erreichen will, der macht Boulevard. Ganz anders das Service-public-Prinzip.»
De Weck, der immer wieder betont, dass Unterhaltung zum Leistungsauftrag der SRG gehöre, wendet sich nun plötzlich mit harschen Worten gegen die Privaten, die er mit Boulevardmedien gleichsetzt. Und das, obwohl nicht nur die SRF-Webseite mit «Interessantem, das beim breiten Publikum `zieht`», sondern eben auch Formate wie «Glanz & Gloria» und «Musikantenstadl» im Programm hat.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser Widerspruch im «Club» angesprochen wird. Doch das könnte wohl Wunschdenken bleiben, wenn es die Redaktion der Sendung schon nicht geschafft hat, mehr als nur zwei ausgewiesene SRG-Kritiker einzuladen.