Die Zeitungsverlage klagen seit Längerem über die hohen Papierpreise. Ringier und die NZZ schliessen ihre Druckerei, bei Tamedia ist eine Schliessung in Planung.
Die Papierhersteller ihrerseits leiden seit Jahren unter dem schrumpfenden Verbrauch. Besonders krass war es nun aber letztes Jahr.
Noch vor fünf Jahren wurden in der Schweiz 169’000 Tonnen Zeitungspapier verbraucht. Im ersten Coronajahr 2020 sank der Verbrauch dann schlagartig auf 151’000 Tonnen. Auf diesem Niveau stabilisierte er sich bis 2022.
Im letzten Jahr ist es nun nochmals zu einem markanten Minus auf nur noch 132’614 Tonnen gekommen. Das heisst, dass 2023 fast 10 Prozent weniger Zeitungspapier verbraucht worden ist als im Vorjahr. In der Kategorie «Auslieferung» ist der Rückgang im 2023 mit einem Minus von fast 18 Prozent sogar noch dramatischer.
Diese Zahlen finden sich in einer Statistik, die der Verband Schweizerischer Papier-, Karton- und Folienhersteller (SPKF) führt. Fragt man bei dem Branchenverband nach Erklärungen für den bemerkenswerten Absacker im 2023 nach, verweist Geschäftsführerin Carla Hirschburger-Schuler auf die Digitalisierung und «die durch die Energiekrise als Konsequenz des Ukrainekrieges notwendigen Preiserhöhungen im Jahr 2022».
Das habe sich auf die Auflagen und Umfänge von Zeitungen und Magazinen «generell ausgewirkt». Hinzu kommt aber noch ein Logistikeffekt: «Kunden bauten 2023 die Papierlager ab, die sie im Hinblick auf eine mögliche Energiemangellage in den Wintermonaten 2022/23 aufgebaut hatten», so Hirschburger-Schuler weiter zum Klein Report. Das sei in anderen Jahren nicht in diesem Umfang der Fall gewesen.
Das Wohl und Wehe der Schweizer Papierindustrie hat auch mit der neu erwachten Lust an Industriepolitik in den EU-Ländern zu tun. Die EU fördert ihre Industrie durch Energiepreis-Subventionen und Preisobergrenzen mit insgesamt 700 Milliarden Euro.
Die schweizerische Interessengemeinschaft Energieintensive Branchen (Igeb), mit der der SPKF eng zusammenarbeitet, verlangt «äquivalente Ausgleichsmassnahmen für die energieintensiven Industrien, um das Marktungleichgewicht durch die Wirtschaftssubventionen der EU zu kompensieren», wie im SPKF-Jahresbericht steht.
Sonst drohten Firmenschliessungen und der Verlust von Arbeitsplätzen, so die Interessengemeinschaft. Und auch die immer höheren Netzkosten seien ein Problem für die energieintensiven Firmen. Die Netztarife in Deutschland seien 2023 konstant geblieben, dies infolge eines Zuschusses von über 12,84 Milliarden Euro. In der Schweiz sind sie gemäss Igeb um 30 Prozent gestiegen. «Ärgerlich ist, dass die Kraftwerksbetreiber/Energieversorger aktuell grosse Gewinne realisieren.»
Bei den Papierherstellern selbst pflegt man angesichts der digitalen Umwälzungen einen vorsichtigen Zweckoptimismus. So ist man bei dem Luzerner Produzenten Perlen Papier der Überzeugung, dass es auch in Zukunft eine «Koexistenz von digitalen und gedruckten Informationen» geben wird, «jedoch mit deutlich geringeren Volumen», wie ein Unternehmenssprecher dem Klein Report sagte.
Perlen Papier stellt neben Zeitungsdruckpapier auch gestrichene Papiere für Wochenmagazine oder Werbebroschüren her. «Bei den Zeitungsdruckpapieren für die Tagespresse sind der Bedarf und die Nachfrage der Bürgerinnnen und Bürger auch heute noch vorhanden, das zeigt der Markt. Mindestens die Hälfte der Abonnenten will neben der Digitalversion auch die gedruckte Zeitung haben.»
An Bundesbern gerichtet, sagt der Pressesprecher weiter: «Dazu braucht es aber zwingend die tägliche Frühzustellung in alle Haushalte und lokale Druckereien, damit der Druck und die ganze Logistik funktionieren.»
Bei den Magazinpapieren für Wochenmagazine oder unregelmässig erscheinenden Werbebroschüren seien Druck und Zustellung weniger zeit- und distanzkritisch. «Die Nachfrage nach solchen Magazinpapieren wird nicht so schnell verschwinden.»