Sowohl die SRF-Ombudsstelle wie auch die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) erklärten sich für nicht zuständig, als sich eine Userin im Sommer 2021 darüber beschwerte, dass die SRF-News-Redaktion einen ihrer Kommentare zu den Corona-Tests gelöscht hatte.
Beide Gremien haben sich zu Unrecht aus der Affäre gezogen, entschied das Bundesgericht, wie aus der Begründung am Dienstag hervorgeht.
Konkret ging es um den Beitrag «Deutschland schafft kostenlose Corona-Tests ab», den SRF News am 10. August 2021 publizierte. Eine Frau kommentierte, die Schweiz möge das Gleich tun, sie komme selber bestens ohne Test und ohne Impfung aus.
Wenige Stunden, nachdem die Userin ihren Kommentar geschrieben hatte, wurde dieser von der Redaktion auch schon gelöscht. Begründung: Er sei mit der «Netiquette» nicht vereinbar.
Die Frau beschwerte sich bei der Ombudsstelle, welche nicht auf die Beanstandung einging. Auch bei der UBI stiess sie auf taube Ohren.
Ob der Kommentar der Userin nun rechtens oder zu Unrecht von der SRF-Redaktion gelöscht worden war, war gar nicht die Frage, die das Bundesgericht am Dienstag in seiner öffentlichen Beratung entschied. Vielmehr ging es ums Grundsätzliche: Wer ist rechtlich zuständig, wenn die SRG-Redaktionen Kommentare auf Online-Foren oder in Social-Media-Kanälen löschen und damit in die Meinungsäusserungsfreiheit eingreifen?
Denn für das Bundesgericht ist klar: Die Kommentarfunktion zu redaktionellen Beiträgen gehört zum «übrigen publizistischen Angebot» der SRG. Die Kommentarfunktion diene dem Meinungsaustausch und der Meinungsbildung rund um den redaktionellen Beitrag. Bietet die SRG ausserhalb ihres Programms Kommentarfunktionen an, müsse sie dabei auch «möglichst grundrechtskonform» handeln, schreibt das Bundesgericht.
«Mit der Löschung von Kommentaren oder dem individuellen, vorübergehenden oder dauernden Ausschluss von Personen von der Kommentarfunktion greift die SRG in die Meinungsäusserungsfreiheit der Betroffenen ein. Damit muss ein Rechtsweg offen stehen, der den Anforderungen der Bundesverfassung genügt.»
Der Weg übers Zivil- oder Strafgericht ist für das Bundesgericht der falsche, weil die Löschung eines Online-Kommentars in der Regel keine Persönlichkeitsverletzung oder keine strafrechtlich sanktionierte Ehrverletzung darstellt. Und auch ein Aufsichtsverfahren des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) «würde nicht den erforderlichen Rechtsschutz bieten».
Bleiben als nur noch Ombudsstelle und UBI übrig, die sich laut Bundesgericht künftig der Sache annehmen müssen.
Oder im Originalton aus Lausanne: «Die UBI ist gemäss dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen zuständig für Beschwerden im Zusammenhang mit dem Inhalt redaktioneller Beiträge der SRG. Löscht die SRG aktiv einen Kommentar zu einem redaktionellen Beitrag in ihrem übrigen publizistischen Angebot oder verweigert sie einzelfallweise den Zugang zu Kommentarfunktionen, liegt darin ebenfalls ein wertender redaktioneller Akt. Soweit eine Vermittlung durch die Ombudsstelle der SRG zuvor gescheitert ist, wird die UBI auf Beschwerde hin somit einzelfallbezogen zu prüfen haben, ob die SRG unzulässigerweise in die Meinungsäusserungsfreiheit der Autorin und des Autors eines gelöschten Kommentars eingegriffen hat.»