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Samstag
05.11.2022

Medien / Publizistik

«Am Schluss bleibt die Frage, ob die Online-Dienste mitspielen werden», sagt Rechtsanwalt Martin Steiger. (Bild © Google)

«Am Schluss bleibt die Frage, ob die Online-Dienste mitspielen werden», sagt Rechtsanwalt Martin Steiger. (Bild © Google)

Mit dem Leistungsschutzrecht hat es die Schweiz nicht leicht. Zu viele verschiedene Interessenvertretungen der Medien lobbyieren gemeinsam mit der SRG in Bern heftig um die Gunst der Politik.

Noch bei der letzten Änderung des Urheberrechts vor zwei Jahren hatte die Schweiz auf die Einführung eines Leistungsschutzrechts verzichtet. Nun folgt ein neuer Anlauf und dem widmete sich der Zürcher Anwaltsverband am Freitag an einem Medienfrühstück unter dem Titel «Leistungsschutzrecht für journalistische Medien: Die Rettung des Journalismus in der Schweiz – oder eine politische Zwängerei ohne Nutzen für die Gesellschaft?».

Der Bundesrat hat auch schon mitgeteilt, dass er eine Abgeltung der journalistischen Medien für deren Leistungen grundsätzlich als berechtigt erachtet.

Unschöne Erfahrungen hat der Klein Report selber mit der Schweizer Mediendatenbank SMD gemacht, die im Besitz der privaten Verlage Ringier und Tamedia sowie der SRG ist. SMD hat mehr als 10’000 Artikel des Klein Reports ungefragt übernommen und ihren Mitgliedern zur Verfügung gestellt sowie unter anderem über Swissdox kommerzialisiert. Es gab weder eine Einwilligung zur Verwendung der Texte, geschweige denn eine Entschädigung.

Die Herausgeberin des Klein Reports, die Press Media AG, ging über das Handelsgericht bis ans Bundesgericht, um ihre Rechte zu wahren. Das Bundesgerichtsurteil spricht Bände, nicht nur deren Rechtsverweigerung in grossen Teilen zu Rechte-Fragen (copyright).

Dafür steht unter anderem nun das Handelsgerichtsurteil im Recht, das den Betrieb einer Datenbank (zum Beispiel einer Recherchedatenbank mit Speicherungen auf Vorrat) für Aktionärinnen und Partner als Eigengebrauch darstellt, obwohl das nicht der Praxis der gesetzlichen Lizenz nach Art. 19 und 20 URG entspricht. Das wiederum tut der grossen Rechteverwerterin ProLitteris weh.

Nun möchten die Verleger und Journalistinnen und Journalisten genau das, was der Klein Report als Branchenthema vors Bundesgericht gebracht hat: Ihre Rechte, ihre journalistische Arbeit, sowie eine mögliche daraus resultierende Entschädigung gewahrt sehen.

Zudem sollte die Schweizer Mediendatenbank SMD nicht wie ein beliebiges Firmen- oder Privatarchiv geführt werden, monierte schon der Schweizer Presserat. Dokumente löschen, Dokumente reingeben: Die institutionelle Archivfreiheit ist nicht gewahrt.

Am Medienfrühstück sind die verschiedenen Ansätze zur Regelung eines Leistungsschutzrechtes nun ein weiteres Mal erörtert worden.

Nach einem «Mediendialog», das durch das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) im immer wieder gleichen monopolistischen Kreis fruchtlos zu Ende gegangen ist, liegt nun ein Auftrag des Bundesrates beim Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum auf dem Tisch. Dieses soll bis Ende diesen Jahres eine Vernehmlassungsvorlage zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für journalistische Inhalte ausarbeiten.

Das Institut soll verschiedene rechtliche Optionen prüfen, unter anderem eine Anpassung des Wettbewerbsrechts.

Der Klein Report hat im Vorfeld des Medienfrühstücks Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum bei der Steiger Legal AG in Zürich, der an der Veranstaltung in das Thema einführt, ein paar Fragen gestellt.

Wo steht das Leistungsschutzrecht in der Schweiz aus ihrer Sicht im Moment?
Martin Steiger
: «Mit der Vernehmlassung, voraussichtlich ab Dezember 2022, beginnt endlich die öffentliche Diskussion über einen konkreten Entwurf. Bislang fand die Diskussion über einen neuen Anlauf für ein Leistungsschutzrecht für die Medienunternehmen hinter verschlossenen Türen beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) und mit handverlesenen Akteuren statt. Weitere wichtige Akteure, beispielsweise die Digitale Gesellschaft, wurden nicht eingeladen. Im besten Fall – aus Sicht der profitierenden Medienunternehmen – könnte das neue Leistungsschutzrecht voraussichtlich ab 2025 eingeführt werden.»

Welches sind die grössten Knackpunkte zurzeit?
Steiger: «Das neue Leistungsschutzrecht ist umstritten, selbst innerhalb der Medien. Der ‘Mediendialog’ beim Bakom ist deshalb gescheitert, wie die Digitale Gesellschaft aufgedeckt  hat. Kritik kommt nicht nur aus der Zivilgesellschaft, sondern auch aus der Wirtschaft. So hat sich Avenir Suisse dezidiert gegen ein neues Leistungsschutzrecht als als ‘Medienförderung durch die Hintertür’ ausgesprochen . Das neue Leistungsschutzrecht wird deshalb zum Teil auch als ‘Linksteuer’ bezeichnet. Kritik kommt auch aus der Rechtswissenschaft, zum Beispiel mit Blick auf das Zitatrecht.»

Der Schutz journalistischer Leistungen hat in der Schweiz einen hohen Stellenwert. In welche Richtung würden Sie als Digitalexperte gehen, um diesen zu erreichen?
Steiger: «Ich sehe den massgeblichen Verbesserungsbedarf beim Schutz der Journalistinnen und Journalisten. Journalistinnen und Journalisten sind häufig von den grossen Medienunternehmen abhängig. Sie erbringen die eigentlichen journalistischen Leistungen und kämpfen mit immer schwierigeren Arbeitsbedingungen. Journalismus, der diesen Namen verdient, bedingt, dass Medienschaffende angemessen entschädigt werden und unabhängig arbeiten können.»

Was für Visionen haben Sie, oder was für internationale Beispiele könnten aus Ihrer Sicht eine Richtung weisen?
Martin Steiger: «‘Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.’ Allerdings erwecken die einen oder anderen traditionellen Medien tatsächlich den Eindruck, pflegebedürftig zu sein. Die entscheidende Frage ist, welcher Journalismus in der Schweiz wie gefördert werden soll. Am einfachsten wäre die Förderung direkt durch das Publikum: Wer journalistische Inhalte konsumiert, fördert automatisch den entsprechenden Journalismus. Das Problem ist bekanntlich, dass traditioneller Journalismus beim Publikum inzwischen einen geringen und sinkenden Wert hat. Das gilt in finanzieller Hinsicht, aber auch für die zeitliche Aufmerksamkeit, die traditioneller Journalismus erhält. Der grösste Fehler wäre dennoch, Journalismus zu fördern, der nicht konsumiert wird. Insofern sollte die Förderung darauf abzielen, dass sich Journalistinnen und Journalisten den veränderten Umständen anpassen können. Guter und relevanter Journalismus kostet Zeit und damit Geld, aber die technische Herstellung und die Verbreitung sind dank der Digitalisierung so einfach und günstig wie noch nie. Ich fürchte, dass mehr direkte und indirekte Zwangsabgaben zu Gunsten von Medienunternehmen nicht zu besserem und relevanterem Journalismus führen werden. Eine Alternative wäre, den Umsatz der Online-Dienste mit Werbung in der Schweiz zu besteuern, und damit journalistische Inhalte zu fördern anstatt Medienunternehmen zu finanzieren. Eine solche Werbesteuer müsste selbstverständlich steuerneutral umgesetzt werden.»

Gibt es international bereits eine Abgeltungsform, um die grossen Online-Anbieter zur Bezahlung von journalistischen Inhalten zu bringen?
Steiger: «Der neue Anlauf für ein Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen in der Schweiz geht auf deutsche und sonstige europäische Vorbilder zurück. Die Umsetzung in Europa stockt allerdings. Was ist überhaupt der Wert der Leistungen, die geschützt werden sollen? Müssten – nüchtern und wirtschaftlich betrachtet – nicht eigentlich die Medienunternehmen eine Entschädigung leisten, weil sie verlinkt werden? Immerhin wird in der Schweiz versucht, aus den europäischen Erfahrungen mit dem Leistungsschutzrecht zu lernen. Am Schluss bleibt allerdings die Frage, ob die Online-Dienste mitspielen werden.»