Das Schweizer Fernsehen (SRF) tut einiges, um einem Gender-Gap und Geschlechterklischees bei eigenproduzierten Serien zuvorzukommen. Doch während zu den Schlüsselpositionen hinter der Kamera Zahlen erhoben werden, bleibt der Frauenanteil beim Cast im Dunkeln.
Auf eine weibliche Hauptrolle kommen zwei männliche Protagonisten: Das ist, grob überschlagen, der Gender-Gap im klassischen TV-Programm und bei den Streaming-Serien in Deutschland, wie eine kürzlich publizierte Studie zu diesem Themenkreis der Uni Rostock ergeben hat.
Doch Frauen sind nicht nur seltener zu sehen. Sie werden auch weniger vielfältig dargestellt als Männer. Meistens sind sie jung und haben genormte schlanke Körper. Und wenn sie mal nicht als Erfüllungsgehilfinnen eines Romantik-Plotts gezeigt werden, dann mehrheitlich in Berufen, die ihre Gewandtheit in Gefühlsdingen betonen.
Tradierte Geschlechterbilder dominierten weiterhin, so das nicht ganz überraschende Fazit der Studie, die deutsche Serien auf Netflix, Amazon Prime und Sky untersucht hat.
Aber auch für das lineare TV gibt es in Deutschland einschlägige Zahlen zum Gender-Gap. 2017 hatte die Studie «Gender und Fernsehfilm» den Frauenmangel bei den klassischen Sendern aufgezeigt. Und die Zahlen zeigten Wirkung: Das ZDF etwa reagierte mit einem Förderprogramm für Nachwuchs-Regisseurinnen.
Doch wie hält es das Schweizer Radio und Fernsehen mit den Frauen? Und wie mit den entsprechenden Zahlen?
«Als Redaktion sind wir seit längerer Zeit sensibilisiert auf die Geschlechterfrage und erheben bei Film- und Serienproduktionen so weit möglich entsprechende Kennziffern für die Schlüsselpositionen hinter der Kamera», sagte Bettina Alber, Leiterin Redaktion Serien, gegenüber dem Klein Report auf Anfrage.
Dabei handele es sich um Regie, Autorenteam sowie Produzentinnen und Produzenten. Die SRF-Serien «Seitentriebe», «Advent, Advent», «Frieden» oder das gegenwärtig produzierte «Neumatt» seien «Serien von Autorinnen», sagt die Redaktionsleiterin. «In Schlüsselpositionen dieser Produktionen beträgt der Frauenanteil 50 oder mehr Prozent», ergänzt sie.
Die Krimi-Serie «Wilder» wartet zwar mit einer modernen weiblichen Hauptfigur auf. Das Autoren-, Produzenten- und Regieteam hinter der Kamera ist allerdings männlich besetzt.
Anders als bei den Schlüsselpositionen hinter der Kamera erhebt SRF aber keine Kennziffern zur Geschlechterverteilung im Cast. «Das Thema hat während des gesamten Entwicklungsprozesses jedoch eine hohe Bedeutung», so Bettina Alber weiter.
SRF-Serien erzählten «authentische Geschichten aus Schweizer Lebensrealitäten, in denen interessante Frauenfiguren aller Altersgruppen selbstverständlich sein sollen», so der Anspruch der SRF-Serienredaktion an ihre eigenen Produktionen.
Bei den Lektoraten von Plotts und Drehbüchern wenden Bettina Alber und ihr Team den sogenannten Bechdel-Test an. Damit sollen mit wenig Aufwand Geschlechterklischees erkannt werden.
Dieser Schnelltest, den die US-Cartoonistin Alison Bechdel 1985 formuliert hatte, stellt drei simple Fragen: Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Sprechen diese Frauen miteinander? Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann?
«Insgesamt ist es um unsere Serienproduktionen nicht schlecht bestellt, was das Geschlechterverhältnis angeht», bilanzierte Bettina Alber die Arbeit ihrer eigenen Redaktion. «Und wir werden auch in Zukunft weiterhin auf weibliche Präsenz achten.»
Was das aber genau bedeutet, lässt sich, anders als in Deutschland, schlecht einschätzen, weil SRF beim Cast eben keine Zahlen erhebt.
Und auch eine Studie ausserhalb des Tagesgeschäfts ist nicht in Planung. Obwohl Zahlen eine wichtige Handlungsgrundlage von Gleichstellung sind.