In salbungsvollen Worten auf einer guten halben Zeitungsseite wies Pietro Supino, CEO der TX Group, die Leserschaft seiner diversen Tageszeitungen vor ein paar Tagen darauf hin, wie gut der «Kompromiss» hinter dem neuen Medienförderungsgesetz sei. Über das stimmen wir bekanntlich im Februar ab.
Die zusätzliche gute Milliarde Steuergelder, die in den nächsten sieben Jahren über Schweizer Medienunternehmen niedergehen soll wie ein warmer Frühlingsregen, sei nötig, «weil die Auflagen der gedruckten Zeitungen kleiner werden und dadurch die Kosten der Hauszustellung pro Exemplar steigen».
Zahlreiche Branchen erleben einen einschneidenden Strukturwandel und könnten mit ähnlichen Argumenten nach staatlichem Manna rufen. Geschäftsmodelle implodieren, weil sie mit der Entwicklung des Marktes und den Bedürfnissen der Konsumenten nicht Schritt halten und weil Entwicklungen verpasst und verschlafen worden sind.
Doch das stimmt für die TX Group und ihre Bezahlzeitungstochter Tamedia nur bedingt. Jahr für Jahr, mit Ausnahme des annus horribilis 2020, hat die TX Group solide zwei- und dreistellige Millionengewinne erwirtschaftet.
«Unabhängigkeit und Innovationskraft setzen wirtschaftlichen Erfolg voraus», schreibt Supino zu Recht, blendet aber diskret aus, dass seine TX Group wirtschaftlich erfolgreich ist und dass nur der einstmals lukrative Geschäftszweig «Bezahlzeitung» darbt, weil Inserenten abgewandert sind und sich Leserinnen und Leser abwenden, weil neue, interessante Alternativen im Netz entstanden sind.
Nein, für Pietro Supino gilt es – in Fettschrift hervorgehoben in seinem Beitrag – ein «intaktes Ökosystem» zu erhalten.
Ökosystem? Das klingt nachhaltig, umweltbewusst, schützenswert. Doch hat Verleger Supino den Begriff falsch angewendet, wie er wenige Tage später in den Leserbriefspalten seines eigenen «Tages-Anzeigers» nachlesen musste.
«Ökosystem ist ein Fachbegriff der ökologischen Wissenschaften. Es besteht aus einer Lebensgemeinschaft von Organismen mehrerer Arten (Biozönose) und ihrer unbelebten Umwelt, die man als Lebensraum, Habitat oder Biotop bezeichnet. Um das Medienpaket zu retten, missbraucht Supino den naturwissenschaftlichen Begriff Ökosystem, indem er ihn in die Ökonomie transferiert», schrieb Leser Jonas Rickli aus Wollerau.
Vielleicht haben wir Pietro Supino auch falsch verstanden und er meinte mit «Ökosystem» nicht ein ökologisches, sondern ein ökonomisches Gebilde. Ein Gebilde, in welchem auf der einen Seite Steuergelder angezapft werden, die dann am Ende des monetären Röhrensystems an die Aktionäre abfliessen.
Die TX Group, zu der Tamedia gehört, sammelt bereits Erfahrung bei der Anwendung des Prinzips der wunderbaren Verwandlung von Staatshilfe in Dividenden, wie man im Klein Report vor Kurzem lesen konnte.