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Dienstag
31.12.2024

Medien / Publizistik

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Auf das Pult des Presserates flatterte ein heisses Dossier: ein Zwist zwischen der NZZ und dem Schweizer Fernsehen (SRF), ein Disput zwischen dem Autor Markus Schär und dem TV-Mann Beat Glogger.

Schär veröffentlichte am 9. Oktober 2023 in der «Neuen Zürcher Zeitung» unter dem Titel «Das Schweizer Fernsehen schürt seit 35 Jahren Klimapanik – oft wider die Wissenschaft und gerne auch vor den Wahlen». Dabei nahm Schär die Sendungen des Schweizer Fernsehens zur Klimathematik in den vergangenen 35 Jahren unter die Lupe.

«Schär argumentiert, dass in den Sendungen sei 35 Jahren Alarm geschlagen werde», so der Presserat, «obwohl eine wissenschaftliche Grundlage für diesen Alarmismus fehle». Weiter schreibt der Presserat zum Artikel: «Er behandelt zunächst die Senung «Menschen, Technik, Wissenschaft des Schweizer Fernsehens und die publizistischen Aktivitäten ihres Redaktors und Moderators Beat Glogger.»

In einer Spezialwoche des Schweizer Fernsehens im Jahr 1988 seien Gefahren eines Treibhauseffektes beschworen worden. Beat Glogger sei für das Nationale Forschungsprogramm des Schweizerischen Nationalfonds (NFP 31), das den Einfluss von Klimaveränderungen auf Naturkatastrophen untersuchte, publizistisch tätig gewesen.

1992 habe er das Buch «Die Schweiz im Treibhaus» publiziert und regionale Auswirkungen der globalen Klimabedrohung aufgezeigt – obwohl die Forscher mit ihren rudimentären Modellen dazu noch gar nichts hätten sagen können. Die Wissenschaft sehe noch heute keine Trends zu mehr Extremereignissen, zitiert der Presserat in seiner am Montag veröffentlichten Stellungnahme das Zwischenfazit von Autor Schär.

Dessen Artikel endet mit der Frage, ob das Schweizer Fernsehen wohl auch bei den Parlamentswahlen 2023 Politik mache und formuliert die Vermutung, dass die Halbierungsinitiative die SRG womöglich an ihren Auftrag erinnere, «Sachgerechtikgkeit statt Stimmungsmache» ins Zentrum zu stellen.

Zwei Beschwerden gingen gegen diesen Artikel beim Presserat ein. Eine hielt zusammengefasst fest, dass Extremereignisse durchaus zugenommen hätten und Markus Schär wichtige Quellen des Intergovernmental Panel on Climate Change IPPC unterschlagen hätte.

Die «Neue Zürcher Zeitung» mit Chefredaktor Eric Gujer und dem NZZ-Hausjuristen Roman Bretschger wehrten sich dagegen. Es sei nicht Aufgabe des Presserates, wissenschaftliche Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.

In seiner Beschwerdeantwort hält der Presserat zwar fest, «dass in der Wissenschaft Debatten Bestandteil des Erkenntnisprozesses sind und deshalb für die Wahrheitssuche fundamental wichtig». Doch das Selbstregulierungs-Organ für medienethische Fragen argumentiert weiter: «Der IPCC gilt als Goldstandard der Klimaforschung… Journalisten dürfen und sollen einen allgemein anerkannten Forschungsstand kritisch betrachten und hinterfragen. Wenn sie diesem aber widersprechen, sollten sie dazu Belege liefern oder zumindest sagen, dass es sich um eine Minderheitenposition handelt. Sonst kann sich das Publikum kein eigenes Bild machen oder wird sogar in die Irre geführt.»

Fazit des Pressrates: Mit seiner Unterlassung hat Autor Schär die Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalisten verletzt.

Schär selber hat erst durch Nachfrage des Klein Reports bei ihm am 30. Dezember 2024 vom Entscheid des Presserates Kenntnis erhalten. Er regt sich auf: «Dieses Verfahren ist aus diversen Gründen ein Skandal!». In einer ausführlichen Stellungnahme wehrt er sich. «Ich habe dem Presserat mehrfach mit ausführlichen Begründungen und Belegen dargelegt, dass meine Aussage 'Die Wissenschaft sieht noch heute keine Trends zu mehr Extremereignissen' der wissenschaftlichen Wahrheit entspricht.»

Darauf gehe der Presserat in seiner Stellungnahme nicht ein, so Schär. Auch kritisiert er das überlange Verfahren – sein Artikel erschien Ende 2023.

In Rage bringt Schär aber noch etwas: «Der Presserat hat die Beschwerden der 3. Kammer zugewiesen. Dort sitzen mit Jan Grüebler, Dienstleiter Nachrichten SRF, als Präsident sowie der inzwischen zurückgetretenen Simone Rau, Reporterin SRF Investigativ, zwei SRF-Angestellte, die darüber richten müssen, ob die Kritik am Schweizer Fernsehen korrekt war.» Pikant: Andri Rostetter, Inlandchef der NZZ, sitzt ebenfalls in diesem Gremium – doch er musste in den Ausstand treten.

Gegenüber dem Klein Report erklärt Schär, wie es überhaupt zu seinem jetzt vom Presserat gerügten Artikel in der «Neuen Zürcher Zeitung» gekommen ist: «Ich machte 2020 bis 2022 das Nachdiplomstudium in Applied History an der Uni Zürich und reichte im Frühling 2023 meine Masterarbeit zur Geschichte der Schweizer Klimapolitik ein.»

Professor Tobias Straumann habe diese abgenommen und in der Online-Bibliothek der Uni Zürich veröffentlichen lassen. «Am 9. Oktober schrieb ich auf der Medienseite der NZZ einen Artikel zur Klimaberichterstattung des Schweizer Fernsehens, der sich auf meine Master-Arbeit stützte.»

Darin habe er sich vor allem kritisch mit dem Wirken von Beat Glogger auseinandergesetzt: «Er löste 1988 bei Menschen, Technik, Wissenschaft und damit SRF den Klimaalarmismus aus.» 1992 habe er als eingebetteter Reporter am Erdgipfel in Rio teilgenommen – von 1991 bis 1998 sei er auch Öffentlichkeitsbeauftragter des Nationalforschungs-Progamms 31 «Klimaänderungen und Naturkatastrophen» gewesen.

«Er veröffentlichte vor Beginn der Studien ein Buch mit den gewünschten Ergebnissen, und er verdrehte in einem Dokfilm mit fiktionalen Elementen, der zum offiziellen Schlussbericht gehörte, die grundsätzlichen Aussagen des NFP ins Gegengeil.»

Im August 2022 habe er Glogger einen Entwurf mit Recherchefragen geschickt, doch nie eine Antwort erhalten, sagte Markus Schär zum Klein Report.