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Freitag
29.09.2023

Medien / Publizistik

Hauptsache kostspielig: SLAPP-Klagen werden auch dann eingereicht, wenn sie keine Chance auf Erfolg haben. (Bild zVg)

Hauptsache kostspielig: SLAPP-Klagen werden auch dann eingereicht, wenn sie keine Chance auf Erfolg haben. (Bild zVg)

«SLAPP» heisst auf Englisch «Ohrfeige». Und es steht für «Strategic Lawsuits Against Public Participation»: Klagen, mit denen Medienschaffende oder Nichtregierungsorganisationen (NGO) in teure Gerichtsverfahren verwickelt werden. 

Gegen solches Powerplay hat sich vor zwei Wochen ein gutes Dutzend NGOs zur Schweizer Allianz gegen SLAPP zusammengeschlossen.

Einschüchterungsklagen seien zum Beispiel beim Bruno Manser Fonds, HEKS oder Public Eye «länger schon» ein Thema, «auch aufgrund eigener Erfahrungen», sagt Oliver Classen, Mediensprecher und Projektleiter bei Public Eye, gegenüber dem Klein Report.

Der zündende Funken ist gemäss Classen im Nachgang zu einer vom Bruno Manser Fonds organisierten Tagung im Mai 2022 gesprungen. Auf der Liste der Mitgliedorganisationen findet sich als bisher einzige Stellvertreterin der Medienbranche der Berufsverband Impressum.

«Die Mitgliedorganisationen finanzieren allfällige nötige Ausgaben für die Arbeit der Allianz ad hoc und in jeweiliger Absprache», sagt der Public-Eye-Mediensprecher zur Finanzierung.

Die Allianz argumentiert damit, dass Einschüchterungsklagen gegen kritische NGO-Berichte «massiv zugenommen» haben. Darauf angesprochen verweist Classen auf eine HEKS-Umfrage. Die Organisation hat 2022 verschiedene NGOs zu Klagen und Klagedrohungen befragt, die seit dem Jahr 2000 von wirtschaftlichen Akteuren eingereicht worden sind. 

Von den elf NGOs gaben sechs an, mit Klagen zu tun zu haben, nämlich sechs Zivilklagen und sechs Strafanzeigen.

Bemerkenswert ist, dass elf der zwölf erwähnten Klagen nach 2018 in den Briefkästen landeten. Und: «Seither sind bei verschiedenen Allianz-Mitgliedern weitere Klagen eingetroffen», ergänzt Oliver Classen die HEKS-Umfrage.

Die besonders klagefreudigen USA haben seit vielen Jahren Anti-SLAPP-Gesetze. Und die EU-Kommission hat im April 2022 entschieden, dass es Handlungsbedarf gibt und einen Entwurf für eine Richtlinie vorgelegt. 

Auch die neu gegründete Schweizer Allianz will die Politik in Bewegung versetzen. «Das aktuelle Schweizer Recht schützt Zivilgesellschaft und Medien zu wenig vor Einschüchterungsklagen», so Oliver Classen gegenüber dem Klein Report.

«Sobald die geplante EU-Richtlinie verabschiedet ist, werden wir sie analysieren und mit juristischen Fachpersonen diskutieren, welche Elemente im Schweizer Recht am besten geeignet wären, um den Missbrauch unserer Gerichte und die Drohung gegen professionell Recherchierende zu verhindern.»

Bis es soweit ist, will die Allianz das Thema bekannter machen. «Einige investigativ recherchierende Organisationen und Medienschaffende sind teilweise heute schon eingeschüchtert und denken, dass sie sich alleine gegen die finanziell übermächtigen Kläger wehren müssen. Unser Netzwerk ermöglicht, dass Betroffene konkret unterstützt werden und von der Erfahrung anderer profitieren können.»

Im Parlament stehen die Chancen für eine griffige SLAPP-Bekämpfung derzeit allerdings nicht zum Besten. Im November 2022 hat die Rechtskommission des Nationalrats über einen Vorstoss von Nationalrat Raphaël Mahaim, der Gegenmassnahmen gegen SLAPP-Klagen fordert, nicht Folge geleistet. 

Argument: In der Schweiz gebe es missbräuchliche Klagen gegen Medien nur «äusserst selten». 

Und im Mai 2022 haben National- und Ständerat auch noch die Hürden für superprovisorische Verfügungen gesenkt. 

«Ja, die Pressefreiheit wurde eher stärker eingeschränkt statt besser geschützt», räumt Classen ein. «Wir sind allerdings zuversichtlich, dass wir das Parlament davon überzeugen können, die Zivilgesellschaft besser zu schützen, wenn wir es schaffen, den aktuellen Trend hin zu mehr Einschüchterungsklagen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.»