Content:

Donnerstag
04.11.2021

TV / Radio

Das Hörvergnügen dürfte sich in Grenzen gehalten haben: Detektorempfänger mit Kristalldetektor und Kopfhörer der Marke Telefunken, 1920er Jahre (Bild © Museum für Kommunikation)

Das Hörvergnügen dürfte sich in Grenzen gehalten haben: Detektorempfänger mit Kristalldetektor und Kopfhörer der Marke Telefunken, 1920er Jahre (Bild © Museum für Kommunikation)

Alle sprechen von Social Media, Virtual Reality und dem neusten Podcast. Dabei verbringt die erwachsene Schweiz gemäss den Mediapuls-Daten immer noch am meisten Zeit mit dem guten alten Radio.

Das Museum für Kommunikation und das PTT-Archiv blicken anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums im kommenden Jahr zurück auf die Anfangsjahre des Radios in der Schweiz und die Herausforderungen und neuen Akzente der Radiopiraterie.

In dem Berner Museum hat der Historiker Juri Jaquemet die Frühzeit des Radios in der Schweiz aufgearbeitet. Als Sammlungskurator kennt er sich mit der Mediengeschichte aus. Doch den genauen Anfang einer Entwicklung festzulegen, das ist rückblickend gar nicht so einfach. 

«Mit hoher Wahrscheinlichkeit ging aber am 26. Oktober 1922 in Lausanne eine erste Radiosendung der Schweiz über den Äther», so Jaquemet.

Der Funker und Techniker Roland Pièce kaufte 1922 für den Flugplatz Lausanne eine Flugfunkstation und organsierte im Geheimen am 26. Oktober die erste Radioübertragung vom Radiostudio ins Hotel Beau Rivage in Lausanne-Ouchy. Dazu hatte er ein Ensemble aufgetrieben, das live im Senderaum sang – am anderen Ende lauschte ein VIP-Publikum mit Bundesrat, hohen PTT-Beamten und weiteren politischen Vertretern.

Das Hörvergnügen dürfte sich aber in Grenzen gehalten haben. Radiohören ist in den Anfangsjahren eine komplizierte Angelegenheit. Die Detektorenempfänger dieser Zeit basieren auf einem Pyrit-Kristall, der oben auf dem Gerät eingeklemmt wird. Mit einer spitzen Feder muss auf dem Stein «niefelig» eine geeignete Stelle gesucht werden, um die Radiowellen zu empfangen. Die Drähte der Antenne werden im Dachstock oder zwischen dem Haus und einem nahen Baum aufgespannt.

Auch wenn Radiohören in den 1920er-Jahren noch beschwerlich ist, das neue Medium begeistert. Der Bundesstaat sichert sich schnell die Kontrolle über das Medium und gründet 1931 die Schweizerische Rundfunkgesellschaft SRG. Die Pionierzeit endet, Radiohören wird nun einfacher. Radioempfänger können direkt im Fachgeschäft gekauft werden.

«Handlicher werden allerdings auch die Sendegeräte», sagt Sascha Deboni. Er hat sich im PTT-Archiv vertieft mit der Radiopiraterie befasst. Bald tauchen deshalb auch die Ersten auf, die das staatliche Monopol herausfordern. 

Die konservative Grundhaltung, aber auch eine sehr reduzierte Musikauswahl tun das Ihre dazu. So erinnerte sich Ex-Medienminister Moritz Leuenberger vor allem an Marsch und Jodel. 

Mit eigenen Sendern können die Radiopiraten direkt in die Stuben senden und die Jugend mit Rock- und Popmusik begeistern. Erste Piratensender tauchen in der Schweiz schon in den 1950er-Jahren auf.

Die staatliche PTT nehmen ihren Auftrag, diese Sender auszuheben, sehr ernst. Mit Peilwagen machen sich die Beamten auf die Suche nach den Störfrequenzen und konfiszieren regelmässig zahlreiche Geräte. Je kleiner die Sender werden, desto schwieriger wird es jedoch, diese zu erwischen. Die PTT mobilisieren alle Kräfte: Sowohl für das Aufspüren der Anti-Atomkraft-Piraten als auch des feministischen Senders «Wellenhexen» chartert die PTT in den 1970ern sogar Polizeihelikopter.

Die Pirateriesender sind inzwischen vielfältiger geworden. Einerseits kommen immer mehr kleinere, aktivistisch motivierte Sender auf, die politische Anliegen verfolgen und mit alternativen Informationssendungen gegen das bürgerliche Radiomonopol senden. In Zürich sind es die erwähnten «Wellenhexen», die 1975 als Erste wiederholt ihr Programm aussenden. Ein reiner Frauensender, den die Beamten nie ausheben können. 

Andererseits werden Radiosender als kommerzielles Produkt interessant. Ab 1979 nutzt «Radio 24» die liberale Gesetzgebung in Italien und sendet vom Grenzberg Pizzo Groppera nach Zürich. Gelegentlich wird Roger Schawinskis Frequenz von aktivistischen Kleinsendern gekapert.

Unter diesem steigenden politischen Druck wird die Radiogesetzgebung letztlich liberalisiert und ab 1983 können erste private Radios ihre Sender legal konzessionieren lassen. Um den Anschluss an die Gegenwart nicht zu verlieren, antwortet die SRG mit DRS 3 und Couleur 3 für die Jungen.

Das alles und einiges mehr rund um die Geschichte des Radios lässt sich entdecken und bestaunen im Museum für Kommunikation an der Helvetiastrasse in Bern.