In Zeiten regelmässiger polizeilicher Warnhinweise vor Internetbetrugsmaschen erscheinen auch in den Medien regelmässig Artikel mit drastischen Titeln wie: «Welche Folgen Identitätsdiebstahl haben kann».
Dies natürlich auch im «Tages-Anzeiger», in «20 Minuten» und in weiteren bekannten Titeln der früher als Tamedia bekannten TX Group.
Umso überraschender, dass ausgerechnet das Verlagshaus selbst in einen jahrelangen juristischen Streit mit einem eigenen digitalen Doppelgänger verwickelt worden ist. Denn erst seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das am 5. Dezember 2023 veröffentlicht worden ist und dem Klein Report vorliegt, steht juristisch fest, ob gleich zwei Unternehmen namens «TX Group AG» eingetragen sein dürfen, ein Medienunternehmen einerseits und ein Solarfliesen-Hersteller andererseits.
«Am 19. Dezember 2019 wurde im Handelsregister des Kantons St. Gallen die Firma ‚TX Group AG‘ (CHE-291.279.759; nachfolgend: TX Group AG SG oder Beschwerdeführerin) eingetragen. Einen Tag später wurde im Handelsregister des Kantons Zürich die Änderung der Firma ‚Tamedia AG‘ in ‚TX Group AG‘ (CHE-105.836.696; nachfolgend: TX Group AG ZH oder Nebenpartei) eingetragen», fasst das Bundesverwaltungsgericht zusammen und weist vor allem auf einen wichtigen Punkt hin: «Der letztgenannten Eintragung ging am 26. November 2019 eine Medienmitteilung der damaligen Tamedia AG voraus, dass im Rahmen einer ausserordentlichen Generalversammlung am 20. Dezember 2019 über die Umfirmierung zur TX Group AG beschlossen werde.»
Ein begründeter Verdacht darauf, dass hier jemand missbräuchlich einen digitalen Doppelgänger schaffen wollte, bestand also von Anfang an. Und trotzdem: «Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister genehmigte die beiden Eintragungen am 20. Dezember 2019 (TX Group AG SG) und 23. Dezember 2019 (TX Group AG ZH). Die Eintragungen wurden am 24. Dezember 2019 (TX Group AG SG) und 27. Dezember 2019 (TX Group AG ZH) im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert», so das Bundesverwaltungsgericht.
Es war nun aber nicht etwa das Medienunternehmen, sondern der Solarfliessen-Hersteller, der ab Januar 2021 erst einen regen Schriftverkehr und dann ein juristisches Hickhack über mehrere Instanzen auslöste.
Der Hintergrund des Konflikts: Der Unternehmer Serge Aerne hatte inzwischen den Soliarfliessen-Hersteller gekauft. Dieser war wegen einst negativer Berichterstattung der «SonntagsZeitung» über ihn überhaupt nicht gut auf das Medienunternehmen zu sprechen war.
Das Ziel sämtlicher Schreiben, welche die St. Galler TX Group in der Folgezeit verfasste: Das Zürcher Handelsregisteramt sollte dazu gebracht werden, «die jüngere ‚TX Group AG‘ mit Sitz in Zürich zu verpflichten, die Firmenbezeichnung zu ändern».
Ein Verhalten, dass die Richterinnen und Richter am Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehen konnte, wie sie im Urteil festhalten. Schliesslich habe die bestehende Doppeleintragung keine Auswirkung auf die eigene Eintragung der TX Group AG SG.
«Zugleich können ungeachtet ihrer Identität beide Firmen im Handelsregister koexistieren. Einer Berücksichtigung der verspäteten Eingabe der Beschwerdeführerin stünden auf der anderen Seite als berechtigte Interessen das Rechtssicherheitsgebot und der Vertrauensschutz der Nebenpartei entgegen. Diese darf sich auf den Bestand ihrer erfolgten Eintragung verlassen. Das Zuwarten und Dulden der Beschwerdeführerin hat ausserdem zur Folge, dass die Nebenpartei sich nach Treu und Glauben auf ihren eigenen wertvollen Besitzstand berufen kann. In diesem ist sie zu schützen», heisst es.
Überhaupt ist es primär der Zeitaspekt, der die Klage zu Fall gebracht hat: «Das am 24. Februar 2021 bei der Vorinstanz eingegangene Gesuch wurde über ein Jahr, nachdem die Beschwerdeführerin Kenntnis über die beiden identischen Eintragungen der ‚TX Group AG‘ hatte, eingereicht. Diese Zeitspanne ist zu lang und das Gesuch ist auch als Wiedererwägung zu spät erfolgt, um das Interesse an der Korrektur gegenüber dem berechtigten Interesse an der Rechtssicherheit und am Vertrauensschutz überwiegen zu lassen. Wenn die Beschwerdeführerin, wie hier, nicht fristgerecht Beschwerde erhebt, kann sie mit einem Wiedererwägungsgesuch nicht die Beschwerdefrist umgehen. Folglich war die Beschwerdeführerin mit dem Gesuch zu spät. Es liegen zugleich keine Gründe vor, weshalb sie hätte zuwarten dürfen», so das klare Verdikt des Bundesverfassungsgerichts.
Der als Verlierer vom Platz gehende Solarfliesen-Hersteller muss dem Urteil zufolge nun 7’500 Franken Verfahrenskosten übernehmen und darüber hinaus dem Medienunternehmen TX Group 22’000 Franken Entschädigung zahlen.
Darüber wundern dürfte sich vor allem die Redaktion der «Tagesschau» von SRF, die 2021 insbesondere in ihrem Onlinebeitrag über den Doppelgängerstreit dem Medienunternehmen ans Herz gelegt hatte, dass es doch besser klein beigeben und sich zumindest leicht umbenennen solle. Alle diejenigen, die sich vor Identitätsdiebstählen fürchten, sind froh, ist das Bundesverwaltungsgericht zu einem anderen Urteil gekommen, als es SRF heraufbeschworen hat.