Der TV-Werbemarkt schrumpfte 2019 rasant weiter, wie die aktuelle Ausgabe der Werbestatistik Schweiz vor Kurzem bestätigte. Die SRG ist viel stärker davon betroffen als die ausländischen Werbefenster und die Schweizer Privatsender.
Der Klein Report sprach mit Alexander Duphorn, CEO von Goldbach Media, über die neusten Zahlen, die Hintergründe und darüber, weshalb er glaubt, dass TV das wirksamste Werbemedium bleiben wird.
Laut Stiftung Werbestatistik Schweiz sind die Netto-Werbeumsätze im TV-Segment letztes Jahr um 8,1 Prozent zurückgegangen. Wie ist der Trend in Ihrem Haus?
Alexander Duphorn: «Der Trend von rückläufigen TV-Umsätzen ist im Überspulen der Werbung zu sehen, der im Werbemarkt für alle Sender einen Rückgang des Inventars bedeutet hat. Aus den aktuell veröffentlichten Netto-Werbezahlen ist ersichtlich, dass die privaten Sender hier den Markt outperformen konnten, dass die Zahlen also weniger stark gesunken sind als der Rest des Marktes.»
Welcher Trend zeichnet sich fürs laufende Jahr ab?
Duphorn: «Der Trend für 2020 ist, obwohl die Nutzung von TV signifikant zugenommen hat, leider ein klarer Nachfragerückgang, der über dem Vorjahresminus liegt. Das Geschäft zieht nun aber wieder merklich an. In den letzten Wochen haben einige Unternehmen die Chance genutzt, um sich durch teils sehr emotionale Spots gut zu positionieren und gestärkt aus der Krise zu kommen.»
Goldbach vermarktet Schweizer Regionalsender und deutsche Privatsender. Wie verläuft die Entwicklung in diesen beiden Gruppen im Vergleich?
Duphorn: «Goldbach vermarktet ausschliesslich national respektive in den Sprachregionen verbreitete Sender. Den Entwicklungen der Netto-Werbeausgaben von 2019 ist zu entnehmen, dass die privaten Schweizer Sender mit nur -3.4 Prozent weniger verlieren als die ausländischen Werbefenster. Letztendlich ist dies aus der Entwicklung des Inventars und der Reichweite abzuleiten. Die Schweizer Sender verzeichnen eine gute Entwicklung durch Schweizer Formate, die sehr gut beim Publikum ankommen. Aber auch die ausländischen Werbefenster können mit -5.7 Prozent den Markt outperformen und klar besser abschneiden als die öffentlich-rechtlichen Sender mit -12.2 Prozent Rückgang 2019.»
Wo sehen Sie die Gründe, dass die Entwicklung bei vielen Sendern und Vermarktern derzeit nach unten zeigt?
Duphorn: «Wie bereits erwähnt, ist die grösste Herausforderung die zeitversetzte Nutzung und die damit einhergehende Werbevermeidung, die zu dieser Entwicklung führt. Den werbefinanzierten Sendern macht die europaweit einzigartige Vorspuloption strukturell am meisten zu schaffen. Zwar erhalten die Werbeauftraggeber die auf ihren Paid-Kampagnen garantierten Werbekontakte, dennoch gehen aus diesem Grund wichtige Aufträge verloren. Mittelfristig führt dies dazu, dass die Vielfalt des TV-Angebotes und der Werbemöglichkeiten abnehmen wird und multinationale Paid-Angebote die entsprechende Präsenz der Zuschauer übernehmen werden.»
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie im TV-Segment aus?
Duphorn: «Die TV-Nutzung hat in den vergangenen Wochen Corona-bedingt zugenommen. Kurzfristig ist der grösste Teil des Rückgangs in der Werbung auf Corona zurückzuführen. Die allgemeine Verunsicherung über die wirtschaftliche Entwicklung führt leider oft auch zu Kosteneinsparungen in der Werbung. Davon sind alle Gattungen betroffen.»
2018 verloren die TV-Werbeumsätze laut Stiftung Werbestatistik Schweiz nur 1 Prozent. 2019 sind es nun minus 8,1 Prozent. Wie erklären Sie sich diesen markanten Unterschied?
Alexander Duphorn: «2019 war kein Sportjahr. Erfahrungsgemäss fehlen in diesen Jahren die grossen Kampagnen rund um die Olympischen Spiele und Fussball WM/EM. Entscheidender war aber auch hier die Möglichkeit, Programm und vor allem Werbung spulen zu können. Die grossen Verbreiter haben neue Set-Top-Boxen auf den Markt gebracht, die es den Zuschauern ermöglichen, noch einfacher vorzuspulen. Die entsprechende Umsatzentwicklung war leider vorhersehbar. In Zusammenarbeit mit den Verbreitern arbeiten die Sender und Vermarkter aber seit mehr als einem Jahr an Werbemöglichkeiten, welche das neue Nutzungsverhalten antizipieren und die so noch gezielter ausgesteuert werden können. Das neue Angebot kann den Werbeauftraggebern vermutlich ab Anfang 2022 zur Verfügung gestellt werden.»
Wo es Verlierer gibt, gibt es auch Profiteure: Wohin wandern Ihrer Meinung nach die Werbegelder ab, die nicht mehr in TV-Werbung investiert werden?
Duphorn: «Die Nettowerbestatistik zeigt auch einen allgemeinen Marktrückgang von -2.5 Prozent, der unseres Erachtens nicht das richtige Bild widerspiegelt. Die Entwicklung der Onlinewerbung wird hier nämlich nur in Teilen dargestellt. Wir glauben, dass es immer noch einen hohen Grad an Werbezuwachs im Digitalen gibt, den unsere Sender ja auch mitgestalten bei Streaming- oder Onlineangeboten. So gehen wir im Bereich Brandbuilding davon aus, dass sicher Out of Home (und insbesondere DOOH) weiter zugelegt hat. Den grössten Zuwachs verzeichnet Google. Positiv nehmen wir aber war, dass grosse Brands festgestellt haben, dass der alleinige Fokus auf Performance nicht das einzig Wahre ist, sondern der Mix entscheidet. Zudem wünschten wir uns, dass die Zahlen der multinationalen Konzerne etwas kritischer geprüft würden, denn im Gegensatz zu TV, Radio oder Print ist bei diesen Konzernen der Spieler jeweils auch gleichzeitig der Schiedsrichter, was eigentlich nicht akzeptiert werden sollte.»
Gibt es aus Ihrer Sicht ein Überangebot im Schweizer TV-Markt?
Duphorn: «Ein klares Nein. Es wird angeboten, was Herr und Frau Schweizer konsumieren und was sich refinanzieren lässt. Wir freuen uns jetzt schon auf die kleinteiligeren Daten ‚HiRes’, die Mediapulse Anfang 2021 veröffentlichen wird. Diese ermöglichen es dank den Set-Top-Box-Daten von Swisscom und UPC, auch die Nutzung auf Spartensender genauer abzubilden. Das hilft Programm-Machern und Werbetreibenden gleichermassen.»
Was müssen Sie bei der Vermarktung Ihrer Sender konkret ändern, damit diese im Markt erfolgreich bleiben oder erfolgreich werden?
Duphorn: «Mit HiRes-Daten von Mediapulse, der geplanten neuen Online-Bewegtbild-Forschung und den neuen Produkten, die die zeitversetzte Nutzung mit sich bringt, sind alle Massnahmen eingeleitet, um Fernsehen auch für die Zukunft als attraktives Werbeumfeld fit zu halten. Wir werden in den nächsten Jahren neue Werbeformen erleben und TV wird für den Werbeauftraggeber noch besser aufzeigen können, warum es das wirkungsvollste Medium für Werbung bleibt.»