«Für uns kommt jetzt der schönere Teil», begrüsste Verleger Pietro Supino drei Handvoll Journalistinnen und Journalisten zum Mediengespräch «Tamedia» am Donnerstag kurz vor Mittag. Der kollegiale Austausch im zukünftigen Newsroom an der Werdstrasse musste mit mehr als dreissig Minuten Verspätung starten.
Grund waren die nicht enden wollenden Fragen aus der Finanzwelt, die das gleiche Team kurz vorher an der Analysten-Konferenz der TX Group beantworten musste.
Mit Pietro Supino setzten sich dann auch Ursula Nötzli, Chief Communications & Sustainability Officer, Tamedia-CEO Andreas Schaffner sowie Mathias Müller von Blumencron als Leiter Publizistik zu den interessierten Medienleuten.
Nach den Finanzen wolle man sich in dieser Runde nun «mehr auf das Inhaltliche konzentrieren», meinte Supino und wurde sofort konkret: «Die drei letzten Jahre waren schwierig. Aber wir hatten eine privilegierte Situation in der Schweiz.» In anderen Ländern würde sich die Krise der Medien noch viel stärker zeigen.
In dieser Schweiz wolle nun Tamedia einen «Beitrag leisten mit Information und Einordnung». Von Fragen aus dem politischen Alltag in den verschiedenen Publikationen bis zur Wohnungssuche mittels kommerzieller Plattformen würden politische und kommerzielle Antworten geliefert. Dieser umfassende Service sei der «Purpose» der Gruppe. Das heisst: einen Beitrag leisten, damit sich die Menschen eine eigene Meinung bilden können.
Wegen den starken Positionen der Zeitungen und Plattformen habe Tamedia hier «eine grosse Verantwortung». Wie diese wahrgenommen wird, werde vom Qualitätsmonitoring überprüft. Diese «tragende Säule» wurde über die letzten Jahre aufgebaut und jetzt synchron zu den neuen Zahlen auch öffentlich gemacht.
Andreas Schaffner als CEO Tamedia machte noch einmal auf die Situation bei der Nachfrage im Markt aufmerksam. In ganz Europa sei bei klassischen Medien ein Erodieren zu beobachten. «Der Trend geht klar abwärts.» Auch bei Tamedia musste man 4 Prozent weniger Abos bei Print und Digital verzeichnen. Dabei werde die Zukunft der Medien digital sein. «Wann kommt die Situation, wo Digital selbsttragend wird?», sei dabei die entscheidende Frage. Davon sei man heute noch weit entfernt.
Print erodiert entlang der demografischen Entwicklung und auch bei den Bedürfnissen. Die Struktur-Kosten hinter dem Print müssten deshalb angepasst werden. «Print ist ein Geschäftsmodell, das auf einer anderen Generation beruht.» Diese Leute hätten andere Ansprüche, als die Medien sie heute im Bereich Digital anbieten.
Kleiner Trost: Die Old World erodiert in allen Märkten.
Für die New World lassen sich gemäss den Aussagen am Mediengespräch verschiedene Segmente unterscheiden, wie sich in einer Studie des fög abzeichne.
Die «Intensiv-Nutzer» seien dabei die am meisten umkämpften Nutzer der neuen Möglichkeiten. Diese Gruppe macht aber nur 11 Prozent der Medienkonsumenten aus.
Ergiebiger seien die «Global Surferinnen und Surfer». In diesem stark wachsenden Segment gebe es völlig neue Erwartungen, wie man News präsentiert haben will. «Swipen statt Scrollen» sei dabei nur ein technisches Detail.
Für die Content-Lieferanten an der Werdstrasse bilden diese global Surfenden den Markt für die Zukunft. Aber da müsse noch eine Zahlungsbereitschaft generiert werden.
Mathias Müller von Blumencron brachte es auf den Punkt: «Wir brauchen schneller mehr Abonnenten.» Mehr Speed beim Umsetzen der Ideen sei angesagt. Die wichtigste Massnahme sei dabei, den «Tages-Anzeiger» als nationaler Champion für die nationale und internationale Berichterstattung zu stärken. Möglicher Claim: «Wir sind kein Boulevard-Medium, sondern ein Orientierungsmedium.»
Die bisherige Zentralredaktion wird deshalb neu zur Redaktion des «Tages-Anzeigers». Sie beliefert aber weiterhin die regionalen Redaktionen in Basel, Bern oder rund um den Zürichsee mit wichtigen News. Umgekehrt ist die «Tages-Anzeiger»-Redaktion in Zürich dankbar für Input aus den Regionen. Mit der neuen Struktur will man sich an der Werdstrasse «mehr journalistische Qualität» leisten können.
«Wir fühlen uns verantwortlich für Regionaljournalismus. Aber wir müssen einen Weg finden, das zu finanzieren», erklärte Blumencron. Und wie macht man das, wenn Digital nichts bringt?
Mit der neuen Struktur wurde die Chefredaktion verkleinert, «weil wir schnelle Entscheidungen brauchen». Dazu habe man die Verantwortlichkeiten neu geordnet. Die Ressorts werden erhalten, aber dazu kommt ein News-Management. Der Recherche-Bereich wird quer durch alle Ressorts seine Beiträge leisten. Die digitale Abstimmung zwischen «Magazin» und «SonntagsZeitung» soll verstärkt werden.
Jede Redaktion werde ein Dreierset mit geforderten Kennzahlen bekommen: Reichweite, Zahl der Abos und Engagement der Abonnenten auf den Plattformen.
Die neuen Strukturen sind seit dem 6. März aufgegleist. Drei Jahre hätte man in diese Strukturanpassungen investiert. Aber erst in den letzten drei Monaten sei viel Entscheidendes passiert. «Man ist vom Nachdenken zum Handeln gekommen. Aber jetzt machen wir grosse Fortschritte», gab sich Supino überzeugt.
In der welschen Schweiz sei man gedanklich noch nicht so weit. Aber auch dort stünden die gleichen Veränderungen an.