Nur wenige Wochen nach der Affäre um sexuelle Übergriffe beim Radio Télévision Suisse (RTS) hat der Ständerat einer Präventionskampagne gegen Sexismus den Todesstoss verpasst. Dies, nachdem Bundesrat und Nationalrat bereits zugestimmt hatten.
Die Schweiz hat sich im Uno-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Cedaw) dazu verpflichtet, Massnahmen zu treffen, um auf stereotypen Rollenbildern beruhende Praktiken zu beseitigen.
«Trotz allen Anstrengungen ist die Diskriminierung in den letzten Jahren nicht kleiner geworden. Es reicht deshalb nicht, dass sich Bund, Kantone und Gemeinden auf die Verhinderung sexistischer Werbung, die Einrichtung von Schlichtungsstellen oder die Sensibilisierung von Führungskräften beschränken und ansonsten auf den zivil- oder strafrechtlichen Klageweg verweisen», begründete die Grünen-Nationalrätin Regula Rytz ihre Motion, über die der Ständerat am Mittwoch debattiert hat.
Rytz fordert, dass der Bund mehr gegen Sexismus unternehme. So würden zum Beispiel 61 Prozent der jungen Frauen laut einer Studie von Amnesty International in den sozialen Medien aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung beleidigt oder sexuell erniedrigt.
Aber gemäss Regula Rytz gehe es nicht nur um sexuelle Belästigung, sondern auch um weniger beachtete Formen wie zum Beispiel Vorurteilen zur Leistungsfähigkeit im Beruf.
Konkret solle eine breit angelegte Präventionskampagne lanciert werden, so die Forderung, die sich über mehrere Jahre erstrecken und über verschiedene Kanäle wie Social Media, Plakate, Inserate und Kinospots ausgespielt werden sollte.
So lautete das Ansinnen. Die Zeichen dafür standen eigentlich gut. Im Nationalrat hatte die Forderung im Juni eine klare Mehrheit gefunden. Und auch der Bundesrat hatte sich vorsichtig dafür ausgesprochen, «im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten» und «in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen» aktiv zu werden.
Nun hat sich aber der Ständerat quergestellt. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 21 zu 20 Stimmen versenkte er die Motion. Obwohl selbst die vorberatende Kommission mit 7 zu 3 Stimmen zugestimmt hatte.
Zu dieser Kommissionsminderheit gehörte auch SVP-Ständerat Jakob Stark aus dem Thurgau. Eine solch «fette Kampagne» sei im Vergleich mit der «Stop Aids»- oder den unterschiedlichen Anti-Rauch-Kampagnen nicht verhältnismässig.
Bei Aids oder dem Rauchen gehe es «um Leben oder Tod von betroffenen Menschen. Diese individuelle Tragweite hat die Prävention gegen Sexismus nicht. Wer davon betroffen ist, kann Klage erheben».
Die geforderte Präventionskampagne sei nicht nur eine «gute Idee», sondern «unerlässlich», entgegnete die CVP-Politikerin Marianne Maret. «Man muss zum Beispiel nur die Kommentare in sozialen Netzwerken lesen, um zu ermessen, was sich manche Menschen erlauben.»
Und wenn es noch ein Beispiel brauche, dann sei der Skandal beim RTS eine traurige Demonstration davon.