Das Schweizer Radio und Fernsehen plant den Newsroom im Leutschenbach vorerst nicht mit der Berner Radio-Belegschaft, wie SRF-Projektleiter Urs Leuthard auf Anfrage gegenüber dem Klein Report bestätigte.
Der frühere Chefredaktor der Berner Zeitung, Michael Hug, hält nichts von einem zentralen Journalisten-Biotop und spricht, was die mögliche Radio-Züglete von Bern nach Zürich angeht, Klartext.
Auch die Espace Media träumte einmal von der totalen Konvergenz. 2006 unternahm das Verlagshaus einen ersten Versuch. Zu diesem Zweck wurde auch das Berner Hauptquartier architektonisch stark verändert und zu einem «Multimediahaus» umgebaut.
Das Konzept «Newsdesk» war aber kaum angelaufen, als Tamedia 2007 das Berner Verlagshaus übernahm. In der Folge wurde die Konvergenz etwas weniger vehement angestrebt, zumal Tamedia auch ihre Strategie mit elektronischen Medien überprüfte und sich schliesslich von den TV-Sendern trennte.
Von 2006 bis 2013 war Michael Hug Chefredaktor der Berner Zeitung. Nach seinen Erfahrungen glaubt er nicht daran, dass das Heil in gewaltigen Newsräumen liegt. Mit denen könne man vor allem bei Besucherführungen angeben. Der heute unabhängige Journalist glaubt, es gehe vor allem darum, dass auf der Führungsebene der Inhaltsverantwortlichen eng kooperiert werden müsse. «Wo die Inhalte dann produziert werden, scheint mir aus Konvergenz-Sicht zweitrangig – aber nicht mit Blick auf die Inhalte», so Hug gegenüber dem Klein Report.
Ob Inhalte in Zürich oder Bern produziert werden, habe immer einen Einfluss auf die Optik, aus der berichtet werde. «Ganz banal geht der Zürcher für einen Bericht zur Wintersaison in die Flumserberge und der Berner in die Lenk. Und etwas weniger platt hat auch der Groove rund um die Redaktion nach meinem Dafürhalten einen Einfluss auf den Groove der Berichterstattung.» Dieses Argument wiegt für den 54-Jährigen viel stärker als Bedenken gegen die Konvergenz. «Von einem mit öffentlichen Geldern finanzierten Medium erwarte ich, dass es unterschiedliche Optiken einnimmt – und nicht alles in einem zentralen Journalisten-Biotop produziert.»
Der Konvergenzversuch der Espace Media habe sicher zu einer Annäherung der Redaktionen und zu einer besseren Koordination geführt, gibt Michael Hug zu. Allerdings sei dies relativ zu sehen: «Zwischen den elektronischen Medien, die pro Tag auf viel weniger Themen fokussieren, und dem Print mit seinem breiten Themenspektrum gab es relativ kleine Schnittmengen.» Auch bezüglich Produktion habe es sehr unterschiedliche Anforderungen gegeben.
Hingegen habe das Projekt sehr viel hinsichtlich des Zusammenwachsens von Print und Online gebracht. Bei diesen ganzen Diskussionen dürfe man aber nicht vergessen, dass die Erwartungen der Manager bezüglich Effizienzsteigerungen in aller Regel als recht überzogen bezeichnet werden müssten. Andererseits seien Redaktionen in aller Regel konservativ und Veränderungen gegenüber nicht sehr aufgeschlossen: «Was auch bei uns gerne unterschätzt wurde, ist, dass solche Prozesse Zeit brauchen und sich in der Praxis einspielen müssen.»
Laut den Aussagen von SRF-Projektleiter Urs Leuthard gegenüber dem Klein Report, will man mit dem Newsroom in Zürich-Leutschenbach auch einen «effizienteren Workflow» erreichen. Das bedeutet nichts anderes, als dass SRF mit der Zusammenlegung von TV, Online und möglicherweise Radio auch sparen will.
Allerdings hält Michael Hug die Rede vom Sparen bei der SRG «für reines Gedöns zum Fenster hinaus». Die Beiträge, um die es gehe, seien angesichts der Gesamtumsätze verschwindend klein und wären bei privaten Medien wohl kaum ein Anlass zur Sparhysterie. «Aber SRF will vom Image der journalistischen Luxus-Tussi wegkommen und gebärdet sich jetzt als sparsame Tante», so Hug dezidiert. Er halte dies für Theater, bekräftigt er gegenüber dem Klein Report weiter.
Die anderen von Leuthard erwähnten Newsroom-Ziele sind für den heute selbständigen Journalisten und politischen Kommentator Michael Hug durchaus nachvollziehbar. «SRF muss künftig tatsächlich auf mehr Kanälen und schneller präsent sein, um sein Publikum weiterhin zu erreichen. Aber ich sehe darin keinen sachlichen Grund, um die ganzen Redaktionen zusammenzuziehen.» In Hugs Augen würde dafür eine effiziente Organisation auf der Führungsebene völlig ausreichen. «Ob die einzelnen Inhalte dann 2 Meter oder 200 Kilometer weiter entfernt produziert werden, ist in einem Kommunikationsmedium ja wohl zweitrangig.»
An den SRF-Plänen, das Radio nach Zürich zu dislozieren, kritisiert Michael Hug noch einen weiteren Punkt: Das Radiostudio Bern sei die einzige Einrichtung der SRG, die im Bereich Audio tüftle und neue Formate teste. In der Bundeshauptstadt scheine einiges an technischem Know-how vorhanden zu sein. Hug weiss nicht, weshalb man Bern dieses Kompetenzzentrum nun wegnehmen wolle. «Aus Kostengründen kann es angesichts des um 20 bis 25 Prozent höheren Lohn-/Preisniveaus in Zürich sicher nicht sein. Ich denke eher, es geht um Macht und Einfluss, wenn auch vielleicht nicht so offensichtlich.» Ein anderes Motiv kann Michael Hug nicht erkennen.