Die kommunikative Reaktion der «Rundschau»-Spitze auf einen Artikel in der «Schweiz am Wochenende» lässt tief blicken.
Anstatt auf Anfragen von Journalisten professionell zu antworten, veröffentlichte das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) tags darauf einmal mehr eine «Stellungnahme» auf dem eigenen Medienportal. Dieses Mal wurde es geradezu ein Sermon unter dem Titel: «Das sagt SRF».
Ursula Klein, Chefredaktorin des Klein Reports, dröselt das Papier auf.
Im ersten Absatz heisst es: «Gestern Samstag, 23. Juni 2024, berichtete CH Media in ihren Titeln über angebliche Missstände in der ‚Rundschau‘-Redaktion. Der weitaus grösste Teil der 16 Reporterinnen und Reporter, die für das Politmagazin tätig sind, hat im Nachgang zum Artikel die nachfolgende Stellungnahme verfasst. Darin distanzieren sie sich von der Berichterstattung und stellen sich hinter Redaktionsleiter Mario Poletti.»
Gezeichnet wird die «Stellungnahme» am Ende von fünf Absätzen «Im Namen der ‚Rundschau‘-Redaktion: Rahel Sahli und Gion-Duri Vincenz.» Sahli ist Reporterin und Videojournalistin bei der «Rundschau» und Produzentin des «Rundschau Talks», Gion-Duri Vincenz ist als Moderator und Redaktor für das Politmagazin tätig.
Und wo ist der ganze Rest? «Der weitaus grösste Teil» des 16 Personen umfassenden Reporterteams?
Das Papier, aus dem Journalist Francesco Benini von CH Media in seinem Artikel zitiert, wird gar nicht in Abrede gestellt. Einige Passagen seien nicht korrekt, andere aus dem Zusammenhang gerissen, heisst es zum Beispiel. «Es findet kein Aufstand gegen die Redaktionsleitung statt. Das zitierte Papier war eine Diskussionsgrundlage für eine Retraite, die vor einem Jahr stattgefunden hat.»
Etwas hilflos: «Wir, Journalist:innen der ‚Rundschau‘, stellen uns hinter unsere Redaktionsleitung und wehren uns gegen die Medienartikel.»
Auf der «Rundschau»-Redaktion gebe es viele Journalisten und Journalistinnen, die seit Jahren für diese Sendung arbeiten und sowohl mit der Arbeitssituation als auch mit der Redaktionsleitung zufrieden seien. «Wir erleben Redaktionsleiter Mario Poletti als engagierten Chef, der mit Herzblut im Journalismus tätig ist.»
Einige der genannten Inhalte seien falsch. Dies habe sich in Gesprächen, die auf dieses interne Schreiben folgten, herausgestellt. «Andere sind Momentaufnahmen und Aussagen einzelner Journalist:innen. An der Retraite vor einem Jahr wurden Spannungen diskutiert und Lösungen gesucht.»
Auch der Klein Report hat SRF während Recherchen zu einer Mediation im Zusammenhang mit Mario Poletti angefragt, wegen dem es ganz offensichtlich nach Gesprächen mit SRF-Insidern immer wieder zu Spannungen kommt. Am 13. Juni antwortete SRF: «Eine Mediation hat nicht stattgefunden. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird zu Fragen zu einzelnen Personen sowie internen Vorgängen nicht weiter Stellung genommen.»
In der «Stellungnahme» vom Sonntag gings dann aber offenbar.
«Dezidiert wehren sich die ‚Rundschau‘-Journalist:innen gegen den beschriebenen Thesen-Journalismus. Es ist nicht korrekt, dass die Redaktionsleitung dies fördert oder gar verlangt», heisst es zu den erhobenen Vorwürfen, es sei zu Thesenjournalismus der Redaktionsleitung und Produktion gekommen.
Und weshalb kommt noch der letzte Absatz? «Die Arbeitslast in der ‚Rundschau‘ ist unbestritten hoch, dies führt zu Stress bei den Journalist:innen. Dies ist allerdings nicht der Redaktionsleitung geschuldet, sondern eine Folge des zunehmenden Drucks, den alle Medienhäuser der Schweiz erleben.»
Es fehlen einem die Worte, jetzt sind auch «alle Medienhäuser» im Boot.
Mit dieser «Stellungnahme» hat sich die Spitze des Schweizer Radio und Fernsehens keinen Gefallen getan. Auch nicht damit, dass sie diese auf den Ticker von Keystone-SDA geworfen hat, die den Wortlaut fast integral – ohne Recherche – abgedruckt hat. Die ganze Schweiz kann sich nun an einem nicht so unüblichen Redaktionsstreit erfreuen. Völlig übers Ziel geschossen.
Mario Poletti duckt sich weg, SRF-Chefredaktor Tristan Brenn sowieso. Hinter den eigenen Mitarbeitenden verstecken ist mehr als führungsschwach. Beschämend.