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Sonntag
19.11.2023

Medien / Publizistik

Zwei Tage nach der GPK-Präsentation scheint das Thema an den Rand gedrängt... (Bild: Klein Report/Beni Frenkel)

Zwei Tage nach der GPK-Präsentation scheint das Thema an den Rand gedrängt... (Bild: Klein Report/Beni Frenkel)

Die Medienwelt lebt von Indiskretionen. Wahrscheinlich gelangte schon bei der ersten Bundesratssitzung von 1848 Geheimes an die Journalisten. Immer mit einem Hintergedanken, zum Beispiel einem Bundesratsmitglied zu schaden oder das eigene Geschäft voranzutreiben.

Die Indiskretionen zu den Covid-19-Sitzungen des Bundesrats unterscheiden sich allerdings in mehreren Punkten. Da ist zum einen das Ausmass an Indiskretionen, welches den Bundesrat als löchrigen Käse erscheinen lässt. Aus 38 von 50 untersuchten Bundesratssitzungen gelangte Geheimes an die Öffentlichkeit, schreiben die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) in ihrem weit über achtzigseitigen Bericht mit Anhängen und Detailinformationen.

Die undichten Stellen hatten aber auch zur Folge, dass sich die Bundesräte gegenseitig mit Argwohn beäugten. Und es wurde zum Teil auf Konsultationen von Experten verzichtet, um kein Informationsleck zu provozieren.

Als die GPK am Freitag ihre Untersuchung vorstellte, fanden einige Medien, dass der Bericht sowohl die Ämter schonte als auch den CEO von Ringier AG, Marc Walder. Liest man den Bericht in Gänze durch, erhält man ein komlett anderes Bild. Vor allem Bundesrat Alain Berset (SP) wird in der Zusammenfassung kritisiert.

Zwar lägen keine Belege vor, die darauf hinweisen, dass die Indiskretionen in Bersets Auftrag erfolgten. Die GPK gibt sich aber nicht naiv. Der Bundesrat habe Bescheid gewusst «von den teils sehr engen Kontakten zwischen seinem Kommunikationschef und dem CEO der Ringier AG», so die Autoren.

Im Bericht heisst es: «Gegenstand dieses Austausches waren oft Informationen zu anstehenden Entscheiden des Bundesrates. So stellte der ehemalige Kommunikationschef des EDI dem CEO der Ringier AG etwa Medienmitteilungen und deren Entwürfe zu oder informierte ihn darüber, bevor ein entsprechender Entscheid des Bundesrates vorgelegen hatte (E-Mails vom 27. und 28. April 2021, 23. Juni 2021, 26. Mai 2021, 11. August 2021).»

Auch die Sonntagspresse scheint die Affäre nun vergessen zu wollen. Schliesslich labten sich alle namhaften Medien an den Indiskretionen. So schreibt denn die GPK, dass in den Zeitungen von Ringier und Tamedia je 60 Artikel mit vertraulichen Informationen erschienen. In der «Neuen Zürcher Zeitung» (und «NZZ am Sonntag») waren es nur 28 Artikel, in der «Aargauer Zeitung» 17.

Der «SonntagsBlick» sieht Bersets Glanz ramponiert. Aber: «Der Magistrat darf sich zurücklehnen und seine letzten Wochen als Bundespräsident geniessen.» Der Autor, Chefredaktor Reza Rafi, geht sogar noch weiter: «Erwartungsgemäss fanden die Parlamentarier (…) keine Belege dafür, dass der Departementschef hinter den Indiskretionen steckte (…)»

Ebenfalls glücklich scheint die «NZZ am Sonntag» zu sein. Das Thema war der Zeitung nur eine Kurzmeldung wert. Titel: «Ein Lob auf die Lecks». Undicht wird dabei mit transparent gleichgesetzt. Sie zitiert ein Bonmot des verstorbenen Ökonomen B. Blankart: «Im Rechtsstaat sind die Behörden öffentlich und die Bürger privat. In einem Unrechtsstaat ist es umgekehrt.» Ein Persilschein also für Indiskretionen.

Anderer Meinung ist die «SonntagsZeitung». Sie zeichnet die katastrophale Stimmung im Bundesratsgremium auf. Die Lecks führten zu einer «Zersetzung» im Bundesrat. Vor allem Bundesrat Alain Berset sei von den Kolleginnen und Kollegen misstrauisch beäugt worden.