Im Fall von Anuschka Roshani vs. Finn Canonica geht es immer um die öffentliche Wahrnehmung. Welcher Person glaubt man mehr?
Ist es Finn Canonica, der geschasste «Magazin»-Chefredaktor aus dem Tamedia-Verlag (TX Group), der von einer angeblich gescheiterten Mitarbeiterin durch die Medien gejagt wird, oder soll man Anuschka Roshani glauben, einer ebenfalls entlassenen «Magazin»-Redaktorin?
Roger Schawinski legte sich früh auf ein Urteil fest. In seinem Buch «Anuschka und Finn» räumte er Finn Canonica viel Platz ein. In seinen Interviews zum Buch wiederholte er seine Angriffe auf Roshani, die angeblich aus niederen Beweggründen auf Canonica schoss, da sie den Chefredaktorenposten im Auge gehabt habe. Weil sie ihn nicht erhielt, habe sie sich gerächt und Finn Canonica in einer vierseitigen «Spiegel»-Geschichte niedergemacht. So die Wahrnehmung von Roger Schawinski.
Der Medienunternehmer und Journalist wunderte sich stets, warum die Schweizer Medien seine Sicht der Dinge nicht aufnahmen. Sein Fazit: Journalisten können keine Fehler zugeben.
Seit dem Erscheinen seines Buches sind mehrere Ereignisse vorgefallen. Zum Nachteil Canonicas. Vor einem Monat wies das Hamburger Oberlandgericht die Einsprache des früheren «Magazin»-Chefredaktors zurück. Der Journalist hatte zuvor erwirkt, dass neun Passagen des «Spiegel»-Berichts gelöscht werden müssen.
Dann erschien vor ein paar Tagen der lang erwartete Artikel von Zoé Baches in der «NZZ am Sonntag». Ihr Kommentar zum Gutachten der Zürcher Anwaltskanzlei Rudin Cantieni schlug Wellen, bevor der Text überhaupt veröffentlicht wurde. «NZZ am Sonntag»-Chefredaktor Jonas Projer soll ihn zurückgehalten haben. Nun, da Projer seinen Posten verloren hat, gab das interimistische Chefredaktoren-Kollektiv den Artikel schliesslich frei.
Im Artikel kommen die Strafrechtsexpertin und Wirtschaftsmediatorin Monika Roth sowie vier Anwälte zu Wort.
Baches kritisiert vor allem die Zeitspanne der überprüften Vorwürfe gegen Canonica. So kommen im Gutachten nicht die Redaktorinnen und Redaktoren vor, die bis 2015 für «Das Magazin» gearbeitet haben. In diesem Jahr kam es nämlich zu einem ersten Aufstand gegen den Chefredaktor. Viele Journalistinnen und Journalisten verliessen 2015 die Redaktion, wurden von der Kanzlei aber nicht zum Verhalten von Canonica befragt.
Eingeholt wurden nur die Stimmen der aktuellen Mitarbeitenden, die übrigens vorwiegend von Finn Canonica eingestellt worden waren. «Diese Einschränkung», so die Journalistin Zoé Baches, werde von den Anwälten als nicht geeignet bewertet.
Baches kritisiert weiter, dass Roshani mit den Gegenvorwürfen von Canonica nicht konfrontiert wurde. Gemäss Monika Roth habe die Kanzlei damit «das rechtliche Gehör von Roshani verletzt».
Roger Schawinski wiederum, der anderen Journalisten eine Vogel-Strauss-Taktik vorhält, lässt das Urteil und die Expertenmeinung unbekümmert. Der Klein Report wollte vom Buchautor wissen, ob er an seiner Meinung zu Finn Canonica festhält. Die Kurzfassung seiner Antwort lautet: Ja.
Die ausführliche Antwort kann leider nicht wiedergegeben werden. Schawinski: «Sie (die Antworten, AdR) sind nur integral freigegeben.» Und das sind über 1’300 Zeichen. Auch ein Sittenbild über Anuschka Roshani lieferte Schawinski in seiner Antwort mit. Auch hier: Nur zur Publikation freigegeben, wenn die Antwort (940 Zeichen) integral abgedruckt wird. Insgesamt über 2’200 Zeichen: Das sind mehr als eine Normseite. Kein Medium druckt so eine Antwort ungekürzt ab. Wer das verlangt, ist natürlich kein Strauss. Vielleicht ein Brüllaffe?