Am Valentinstag ist die letzte Kolumne von Rudolf Strahm im «Tages-Anzeiger» erschienen. Zum Abschied hat es aber nach all den Jahren am Tag der Liebe keine Blumen gegeben. Zumindest literarisch gesehen.
«Das ist nach vierzehn Jahren meine letzte Kolumne. Sie endet nicht freiwillig. Die neue Chefredaktion des 'Tages-Anzeigers' will die Beiträge neu ausrichten», wollte Strahm im letzten Abschnitt zu seinem Abschied noch schreiben. Dazu wollte er eine Einordnung seiner Arbeit als Kolumnist stellen.
Doch diese drei Sätze rund um die Kernaussage «nicht freiwillig» sowie die Einodnung seiner Arbeit wurde ihm von Tamedia zensuriert. Auf seiner eigenen Webseite macht Strahm den Eingriff in seinen Text publik: «PS: Diese Abschiedsbemerkung wurde in den Print-Versionen im 'Tages-Anzeiger' und im 'Bund' gegen meinem Willen gänzlich weggelassen.»
Lesen in der Online-Version durfte man wenigstens noch: «Ich habe mit meinen Kolumnen gern zur Einordnung der Politik beigetragen. Mit Analysen aus einer gewissen Distanz, Unabhängigkeit und Weitsicht habe ich mich an jene Generation gewandt, die noch Zeitung liest und politisch reflektiert. Dabei habe ich versucht, dem Motto 'Audiatur et altera pars' – Höre auch den andern – gerecht zu werden. Allen Leserinnen und Lesern danke ich für das Interesse an meinen Beiträgen. Rudolf Strahm».
In seiner letzten Kolumne hat der frühere SP-Nationalrat und Preisüberwacher unter dem Titel «Strombranche ist systemrelevant und muss reguliert werden» darüber sinniert, wie Swissgrid und Stromhandelskonzerne für die Liberalisierung des Strommarkts lobbyieren. «Dabei verschweigen sie ihre versteckte Agenda», war eine Kernaussage.
Gleichzeitig mit Rudolf Strahm hat am Valentinstag auch für Michael Hermann, Barbara Bleisch und Laura de Weck die letzte Kolumne geschlagen.
Der Klein Report hat beim «Tages-Anzeiger» etwas mehr über die Hintergründe eines solch geballten Wechsels in Erfahrung bringen wollen. Auch interessierte uns grundsätzlich, ob die Kolumnistinnen und Kolumnisten mit ihren Texten völlig frei wären. «Werden die Texte redigiert?», war eine der Fragen.
In den zwei Tagen seit dem Ende der Ära Strahm, Hermann, Bleisch und de Weck ist man uns bei der TX Group die Antwort bis Donnerstagmorgen noch schuldig geblieben. Rudolf Strahm hat sie geliefert.
Raphaela Birrer, Ressortleiterin Politik und Mitglied der Chefredaktion Redaktion Tamedia, hat dem Klein Report inzwischen am späteren Donnerstag zu den Gründen des Wechsels und den Kriterien für die neue Auswahl geantwortet: «Grundsätzlich: Nach teilweise über zehn Jahren war es aus unserer Sicht Zeit für neue Köpfe und frische Ideen. Mit unseren neuen Kolumnistinnen und Kolumnisten (Kim de l'Horizon, Petra Ivanov, Cenk Korkmaz, Kathrin Bertschy und Andri Silberschmidt) möchten wir jeweils ganz unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen abdecken und unsere Leserschaft zum Nachdenken anregen. Das war uns im Auswahlprozess wichtig. Unseren ehemaligen Kolumnistinnen und Kolumnisten danken wir ganz herzlich für ihren Einsatz, ihre hervorragenden Ideen und Ihre Schreibfreude im vergangenen Jahrzehnt. Wir sind überzeugt, dass auch unser neues Kolumnen-Team Debatten prägen wird und freuen uns auf die Zusammenarbeit.»
Als Kim de l'Horizon den Deutschen und den Schweizer Buchpreis gewann, sei für Raphaela Birrer klar gewesen, «dass wir Kim rasch für die Kolumne anfragen müssen, um die Ersten zu sein. Das waren wir auch – und Kim war sofort begeistert von der Idee.»
Die Zusammenarbeit mit allen im neuen Team erfolge multimedial, jede Woche mit etwas Vorlauf und einem Austausch. «Die Konzepte haben wir besprochen.»