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Sonntag
15.05.2022

Werbung

«Er wäre aus meiner eher optimistischen Sicht möglich, dass wir bis Ende Jahr das Niveau von 2019 wieder erreichen», sagt Roland Ehrler, Vize-Präsident der Stiftung Werbestatistik Schweiz. (Bild zVg)

«Er wäre aus meiner eher optimistischen Sicht möglich, dass wir bis Ende Jahr das Niveau von 2019 wieder erreichen», sagt Roland Ehrler, Vize-Präsident der Stiftung Werbestatistik Schweiz. (Bild zVg)

Die Werbeumsätze lagen in der Schweiz im Jahr 2021 zwar 5,4 Prozent über 2020, aber immer noch 11,6 Prozent unter dem Niveau vor dem Ausbruch der Pandemie 2019. Soll man das feiern oder beweinen?

Der Klein Report hat bei Roland Ehrler, Vize-Präsident der Stiftung Werbestatistik Schweiz, nachgefragt.

Roland Ehrler: «Für mich ist das eher ein Grund zum Feiern. Schliesslich gab es in den letzten zwei Jahren wenig zu feiern und viele Branchen haben schwierige Zeiten hinter sich. Die positive Entwicklung der Zahlen zeigt, dass es nun im messbaren Werbemarkt wieder aufwärts geht.»

Trotz Pandemie waren 2021 dank Impfung und Zertifikat viele Wirtschaftszweige wieder einigermassen im Schuss. Wie erklären Sie sich die immer noch fast 12-Prozent-Lücke gegenüber 2019?
Ehrler: «Sie dürfen nicht vergessen, dass im Jahr 2021 noch viele Berufstätige monatelang im Homeoffice waren, die meisten Events abgesagt waren und zahlreiche Covid-Auflagen bestanden. Das hatte grosse Auswirkungen auf die Mobilität und auf die Werbeinvestitionen. In diesem Sinne bin ich für diese erste Werbemarkterholung im 2021 schon sehr dankbar.»

Wenn Sie eine Prognose wagen würden: Wird sich die Aufholjagd eher beschleunigen oder aber verlangsamen im laufenden Jahr?
Roland Ehrler: «Mit Blick auf die von Media Focus gemessenen Bruttospendings in den ersten Monaten sieht es ganz nach einer Aufholjagd auf. Es wäre aus meiner eher optimistischen Sicht möglich, dass wir bis Ende Jahr das Niveau von 2019 wieder erreichen. Vieles hängt aber derzeit noch vom Krieg in der Ukraine und den Verzögerungen in den Lieferketten ab. Es macht zum Beispiel wenig Sinn, für ein Auto zu werben, von dem Sie nicht wissen, wann es geliefert wird.»

Und wann erreicht der Schweizer Werbemarkt wieder das Volumen von 2019, wenn es nicht so gut läuft?
Ehrler: «Optimistisch schon in diesem Jahr und sonst im Jahr 2023. Hauptsache, der Krieg in Europa geht zu Ende, die Logistikketten kommen wieder ins Lot und wir erleben keine dramatischen Corona-Ausbrüche mehr. Dann kommen auch die Werbeausgaben zurück.»

Alle wüssten schon seit Längerem gerne mal, wie gross das Kuchenstück eigentlich genau ist, das Jahr für Jahr zu Google und Facebook ins Ausland geschoben wird. Wieso gibt es diese Zahlen nicht?
Roland Ehrler
: «Ganz einfach, weil die grossen Plattformen keine länderspezifischen Zahlen bekannt geben. So hat Facebook/Meta im Jahr 2021 einen Werbeumsatz von 118 Milliarden US-Dollar und Google sogar 256 Milliarden US-Dollar erzielt. Die Stiftung Werbestatistik Schweiz würde sehr gerne die Schweizer Anteile dieser Zahlen publizieren. Wir sehen hier leider eine wachsende Online-Messlücke!»

Sehen Sie eine Möglichkeit, dass sich das in nützlicher Frist ändern wird? Immerhin macht die EU mit ihren beiden neuen Digital-Gesetzen zünftig Druck auf die GAFA.
Ehrler: «In der Tat tut sich hier auf europäischer Ebene etwas. Es scheint so, also würden sich diese Player nur mit neuen Gesetzen zu mehr Transparenz zwingen lassen.»

Sind Ihnen hierzu Schätzungen bekannt respektiv was wäre ihre persönliche Schätzung?
Roland Ehrler: «Alle Zahlen, die zu den GAFAs genannt werden, sind Spekulation, solange wir keine Datenlieferungen von diesen Plattformen haben. Ich schätze selbst, dass es hier um Werbespendings von 1 bis 2 Milliarden Schweizerfranken gehen könnte. Zusammen mit den erhobenen Online-Daten der Werbestatistik Schweiz wäre damit ‚Digital‘ klar der grösste Werbekanal! Werbeauftraggeber können das für sich selbst bereits gut feststellen, wenn diese ihren Mediamix – inklusive den Ausgaben bei Google Search – und alle weiteren Online-Kanäle analysieren.»

Kaum hatte sich Corona beruhigt, brach der Krieg gegen die Ukraine los – mit dem unermesslichen menschlichen Leid und den wirtschaftlichen Kettenreaktionen. Wie, denken Sie, wird diese «Zeitenwende» das Geschehen auf den Werbemärkten beeinflussen?
Ehrler
: «Ein Krieg, ob so nahe in Europa oder weit weg, ist immer schrecklich und eine menschliche Tragödie. Von den Flüchtlingsströmen und den wie jetzt steigenden Energiepreisen sind wir alle betroffen. Daran kommt früher oder später auch der Werbemarkt nicht vorbei. Auf der anderen Seite gibt es aber auch positive Signale aus dem Tourismus oder generell im Konsum. Schliesslich haben wir alle nach Corona einen grossen Nachholbedarf. Obwohl die ersten Monate im Werbemarkt – gemäss Media Focus-Messung – sehr positiv waren, bleiben noch einige Unsicherheiten für das 2. Halbjahr. Inzwischen haben jedoch viele Werbeauftraggeber gelernt, auf Sicht zu fahren und flexibel zu bleiben. Damit ist das keine Zeitenwende, sondern die neue Normalität!»