Um die beschlossene UKW-Abschaltung und ihre mögliche Suspendierung ist ein Streit entbrannt, im National- und im Ständerat ebenso wie in der Radiobranche.
Der Klein Report hat mit Reto Wettstein, Vorstandsmitglied des Radioverbands Unikom und Gründer der digitalen Radiomarketing-Plattform Radio 2Go, gesprochen. Der langjährige FDP-Stadtrat von Brugg schaffte 2024 den Sprung in den Grossrat des Kantons Aargau.
Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates hat sich am letzten Freitag gegen die UKW-Abschaltung per Ende 2026 ausgesprochen. Was hält Unikom davon?
Reto Wettstein: «Das Ergebnis ist sehr knapp ausgefallen. Es hätte ebenso in die andere Richtung gehen können. Im Ständerat ist es noch offen.»
Wie erklären Sie sich, dass sich sowohl der Nationalrat als nun auch die Ständeratskommission, wenn auch knapp, gegen eine feste Abschaltung positionieren?
Wettstein: «Der Nationalrat hat entschieden. Der Ständerat befindet in der Wintersession über die Motion mit noch offenem Ausgang. Die massive Kampagne der Gegner zeigt Wirkung – praktisch täglich erscheinen neue Beiträge, die das Thema in eine bestimmte Richtung lenken. Wir stehen in dieser Frage faktisch gegen CH Media, Ringier und die TX Group. Schawinski erhält in allen grossen Tageszeitungen Raum, seine Sicht unkommentiert zu verbreiten. CH Media, Ringier, TX Group und Schawinski verfolgen hier klar ihre eigene Agenda – mit Journalismus hat das nur noch am Rande zu tun.»
Gegner der Abschaltung sagen, der Bund zwinge die Branche zu einemTechnologiewechsel und handle damit nicht «technologieneutral». Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Wettstein: «Die ist natürlich kreuzfalsch. Es war die Branche selbst, die noch 2020 eine Rahmenvereinbarung abschloss, welche vorsah, dass die SRG Ende 2022 und die Privaten Ende 2023 abschalten. Spätestens Ende 2024. Dass sich die SRG an die Vereinbarung hielt, und nicht wie die anderen während dem Spiel die Spielregeln ändert, ist eigentlich selbstverständlich. Der Vertragsbruch der Privaten hingegen verdient nur Kopfschütteln. Unser Wohlstand in der Schweiz beruht auf verlässlichen Rahmenbedingungen. Diese zu wahren und standhaft zu bleiben ist nun die Herausforderung im Ständerat.»
Viele Hörerinnen und Hörer besitzen nach wie vor UKW-Geräte, vor allem im Auto. Warum halten Sie es für zumutbar, dass sie gezwungen werden, neue Geräte zu kaufen?
Wettstein: «Praktisch jedes DAB+-Gerät empfängt auch UKW, von daher ist die Feststellung richtig. Falsch ist hingegen, dass es noch viele sind, die nur noch UKW-Geräte besitzen. Eine Auswertung von Autoscout zeigt im Occasionsmarkt der Autos der letzten zehn Jahre noch eine DAB+-Autoradio-Lücke von 16%. 84% der Occasionen haben ein DAB+-Autoradio installiert. Die SRG verzeichnete eine Hörerwanderung gemäss Mediapulse von 15% (nicht 25% und auch nicht 50%!). Es gibt verschiedene Einsatzmöglichkeiten für die 16% ohne DAB+. Ein Nachrüstsatz für circa 100 Franken, ein Adapter für rund 30 Franken oder, wer eine Bluetooth-Schnittstelle hat, kann schon heute nur mit dem Handy im Auto Radio hören. Zu behaupten, dass die Hörerwanderung von 15% eine Überraschung gewesen sei - wenn man noch 2020 den Abschalttermin vertraglich festhielt - ist nicht glaubhaft. Seit den Innovationsdiffusions-Studien von Rogers im Jahr 1962 wissen wir, dass es am Ende immer circa 15% Nachzügler gibt, die nur mit Tatsachen zu bewegen sind.»
In der Motion heisst es, die SRG habe durch die UKW-Abschaltung bereits 25 Prozent ihrer Hörerschaft verloren. Rechnen Sie bei privaten Sendern nicht mit ähnlichen Einbussen?
Wettstein: «Gemäss den Zahlen von Mediapulse stimmt diese Information in der Motion auch nicht. Es sind 15% respektive bald nur noch 14%. Entsprechend werden die Zahlen auch bei privaten Sendern tiefer als behauptet ausfallen. In Norwegen waren es übrigens auch 15%, die sich nach zwei Jahren wieder normalisiert haben.
Kritiker warnen, dass Hörer mit ihren alten Radiogeräten auf ausländische UKW-Sender ausweichen könnten. Was sagt Ihr Verband dazu? Wettstein: «Wenn, dann nur in der kurzen Frist. Wir sehen in den Zahlen von Mediapulse, dass die ausländischen Sender nur eine geringe Bedeutung haben. Dies wird auch so bleiben, denn die lokalen Infos bringen nur die Lokalsender.»
Welche Vorteile sehen Sie für die privaten Radios, wenn sie nur noch via DAB+ senden?
Reto Wettstein: «Zu den privaten Radios zählen auch die gut 90 DAB-only Radios der UNIKOM, welche einen grossen Beitrag an die Medienvielfalt liefern. Entsprechend profitieren sie von gleich langen Spiessen im Hörermarkt und die Wettbewerbsverzerrung fällt weg, wie sie seit 2019 besteht, seit die UKW-Freqzenzkonzessionen nicht mehr ausgeschrieben worden sind. Weiter haben sie keine UKW-Kosten mehr, mehr Ressourcen auf Ausbau digitaler Infrastrukturen und format-/datengetriebener Produkte – so, wie erfolgreiche Plattformen es vormachen.»
Die UKW-Abschaltung beschäftigt seit Jahren das Parlament in Bern. Sollte nicht der Markt selbst entscheiden?
Wettstein: «UKW-Frequenzen sind ein knappes Gut, deshalb muss der Staat die Vergabe regulieren. Dies tat er seit Konzessionsende 2019 nicht mehr. Eine dritte Verlängerung, wie es die Privatradios möchten, ist daher nicht erlaubt. Dann stellt sich die Frage nach dem Vergabeverfahren und den Kriterien. Es wird ein grösserer, teurer, administrativer Bürokratieprozess mit Rechtsmittelverfahren geben, welche die Politik und Öffentlichkeit noch länger beschäftigt. Und dies wegen noch 7% UKW-only Hörenden: ein finanzpolitischer Unsinn.»


