Schon bevor sich die Rechtskommission des Nationalrats am Donnerstag über die parlamentarische Initiative «Illegale Inhalte und Fake News auf Internetplattformen stoppen» beugen wird, weht dem Ansinnen ein steifer Gegenwind entgegen.
Der von Nationalrat Jon Pult lancierte Vorstoss verlangt, dass Google, Facebook, Twitter und Co. neu nicht nur für illegalen Content – zum Beispiel Persönlichkeitsverletzungen, Hatespeech oder Terrorpropaganda – zur Verantwortung gezogen werden sollen, sondern zudem auch für Fake News.
Dabei sollen die Betreiber von Suchmaschinen und sozialen Medien für gesetzeswidrige Inhalte, die sie verbreiten, haften. Und zwar auch dann, wenn diese von Dritten stammen. Zudem sollen sie verbindlich dazu angehalten werden, die Verbreitung von Falschinformationen einzudämmen.
«Während redaktionelle Medien wie Zeitungen, Zeitschriften, Online-Portale, Radio- und TV-Stationen für ihre Publikationen haftungsrechtlich verantwortlich sind und zudem medienethischen Grundsätzen genügen müssen, tragen internationale Internet-Plattformen keine entsprechende Verantwortung für durch sie verbreitete Inhalte», heisst es in der Begründung des Vorstosses.
Damit würde die Schweiz jenen Gap schliessen, den der US-Gesetzgeber im «Communications Decency Act» in Abschnitt 230 (Nickname «Selection 230») bewusst offen gelassen hatte – und damit den Website-Plattformen Immunität garantierte, solange es um die Inhalte aus dritter Hand geht.
Dieses Ungleichgewicht zwischen redaktionellen Medien und Internet-Plattformen werde wegen der wachsenden Bedeutung von Suchmaschinen und sozialen Medien zum Problem für die unverfälschte Meinungsbildung, begründet Jon Pult seinen Vorstoss.
Am kommenden Donnerstag wird das Dossier in der Rechtskommission des Nationalrats an die Hand genommen. Schon am letzten Freitag flatterte in die Mailboxen der Kommissionsmitglieder eine harsche Kritik an dem Vorhaben, unterzeichnet von den drei web-aktivistischen Organisationen Internet Society, PEP Foundation und Piraten-Partei.
Wenn der Gesetzgeber den Internet-Unternehmen tatsächlich eine Haftung für gesetzeswidrige Inhalte aufbrummt, sei dies das Gleiche, wie wenn die Betreiber von Restaurants für rechtswidrige Aussagen ihrer Gäste haften sollen, heisst es in der Stellungnahme. «Dies ist unverhältnismässig, da BürgerInnen für ihre eigenen Handlungen haften müssen.»
Ausserdem fürchten sich die drei Organisationenen von Überwachung, Filterung von Beiträgen und gar der Einstellung von Plattformdiensten. «Nichts davon dient der freien, demokratischen Meinungsbildung.»
Und schliesslich stelle die Forderung nach einer Content-Haftung die Autorität des Staates in Frage, weil Kompetenzen der Justiz an die Internet-Konzerne übertragen werden müssten. «Dies, weil Plattformen über Recht und Unrecht urteilen (Rechtswidrigkeit der Beiträge feststellen) und Sanktionen (zum Beispiel Löschung der Beiträge) vollstrecken müssten.» Was einer «Privatisierung der Strafjustiz» gleichkäme.
Und bei der geforderten Regulierung der zwar legalen, aber unwahren Fake News sehen die drei Internet-Organisationen die Meinungs- und Medienfreiheit in Gefahr: «Die Absichten der Initiative Pult mögen löblich sein, ändern aber nichts an ihrer Verfassungswidrigkeit.»