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Samstag
04.03.2023

Medien / Publizistik

Peter Knechtli kann’s nicht lassen: «Wer aber Journalismus als Lebenshaltung versteht, schreibt weiter.» (Bild zVg)

Peter Knechtli kann’s nicht lassen: «Wer aber Journalismus als Lebenshaltung versteht, schreibt weiter.» (Bild zVg)

Er war einer der Ersten in der Schweiz, die Journalismus im Web betrieben. Nun zieht sich Peter Knechtli zurück und übergibt sein News-Portal onlinereports.ch den beiden Tamedia-Journalisten Jan Amsler und Alessandra Paone.

Der Klein Report sprach mit dem Online-Pionier über die grössten Herausforderungen und Errungenschaften in seinen letzten 25 Jahren, über den Irrsinn optischer Relaunches und über das Schlüsselerlebnis, das ihn Mitte der 1990er-Jahre auf die Idee brachte, den Journalismus ins World Wide Web zu übertragen.

Nach exakt einem Vierteljahrhundert übergeben Sie auf Anfang Juli die OnlineReports GmbH in die Hände von Jan Amsler und Alessandra Paone. Mit welchen Gefühlen lassen Sie Ihr Kind ziehen?
Peter Knechtli
: «Mit sehr guten Gefühlen und Gefühlen der Erleichterung.»

Was war der entscheidende Grund, das auslösende Momentum, das Unternehmen abzugeben? 
Knechtli: «Die beiden Corona-Jahre hatten das gesellschaftliche, kulturelle und politische Leben komplett sediert. Alles schien eingeschlafen. Journalismus mit Maske ist sehr schwierig, wo wir ja demaskieren sollten. Da macht man sich schon mal Gedanken über ein ‚Leben danach‘.»

Was gab für Sie persönlich den Ausschlag, Jan Amsler und Alessandra Paone Ihr Unternehmen zu übergeben?
Peter Knechtli: «Ich war auch mit Verlagshäusern in Kontakt. Aber Alessandra und Jan, die ich seit vielen Jahren kenne – Jan war 2014 mein letzter Praktikant –, kamen vor einem Jahr auf mich zu und teilten mir Ihr Interesse an einer Nachfolge mit. Ich wollte aber die wirkliche Überzeugung spüren und schlug ein prozesshaftes Vorgehen vor. Darin wurde ich in meiner Meinung noch mehr bestärkt, dass die beiden jüngeren Medienschaffenden beinhart gewillt sind und das Risiko eingehen, ihre Arbeitnehmer-Position aufzugeben und Medienunternehmer zu werden.»

Können Sie etwas detaillierter ausführen, in welcher Funktion Sie weiterhin für OnlineReports aktiv bleiben wollen?
Knechtli: «Mir geht es vor allem darum, mich vom Produktions- und Termindruck, dem ich mich seit 25 Jahren selbst aussetze, abzulegen und freie Zeit für andere für mich wichtige Dinge, wie Jazz, Garten und Wandern zu gewinnen. Wer aber Journalismus als Lebenshaltung versteht, schreibt weiter. So werde ich meine Nachfolgenden punktuell mit auch etwas längeren Recherchen und Analysen oder kleinen Eigenleistungs-News bedienen – sofern sie das wünschen.»

Onlinereports.ch ging im Oktober 1998 ans Netz, in einer Zeit also, als es für viele noch undenkbar war, die Zeitung am Bildschirm zu lesen und als auch für die grossen Verlage das Internet noch kein Verbreitungskanal war. Woher kam die Inspiration für diese Pioniertat? Was waren die Überlegungen damals?
Peter Knechtli: «Ich hatte in den Neunzigerjahren als Mitglied einer lokalen Bürgerinitative den ersten digitalen Abstimmungskampf der Schweiz geleitet – unterstützt von einem befreundeten Informatiker. Er half uns, unseren Standpunkt auf einer Website darzustellen, was damals noch eine undenkbare Anwendung war. Da machte es bei mir ‚Klick!‘ beim Gedanken, auf diese Weise könnten auch journalistische Inhalte verbreitet werden. Nach einem Laborversuch von einem Jahr war es so weit: Onlinereports.ch war mit der ersten Bannerwerbung geboren – zuerst unter dem Namen ‚Peter Knechtli Reports‘.»

Seither sind Sie hartnäckig Ihren Weg gegangen und haben so manchen Sturm überstanden. Was waren die ärgsten Herausforderungen?
Knechtli: «In den ersten Jahren war OnlineReports absolut konkurrenzlos, weil niemand das Know-how hatte und in Online investieren wollte. Es war ein Traumleben. Danach folgten erste Mitbewerber, aber sie gingen alle wieder ein. Heute herrscht ein reger Wettbewerb, in dem OnlineReports als Nischen-Medium seinen festen Platz behauptet hat. Die grösste, aber auch die fragwürdigste Herausforderung sind die sogenannten sozialen Medien, die politische Werbung abschöpfen, aber zum Leben der Politik und der politischen Parteien keinerlei redaktionelle Leistungen bieten und damit die professionellen Nachrichtenmedien bedrängen.»

... und was waren die schönsten Errungenschaften?
Peter Knechtli: «Es sind zahlreiche sehr schöne Eigenleistungen wie Analysen, die Einfluss auf den Verlauf von politischen Debatten hatten, und auch einige sehr brisante Leistungen wie die Enthüllung über den Zusammenbruch der Anlagebetrugsfirma ‚ASE Investment AG‘. Dazu kommen natürlich auch die vielen vertrauenswürdigen Kontakte zu Persönlichkeiten aus meinem Netzwerk, die mit immer wieder Stories ‚steckten‘. Dafür bin ich weiterhin offen.»

Es ist ja nicht so, dass man sich in Basel nicht auch sonst informieren könnte. Es gibt Telebasel, es gibt die Portale PrimeNews, bajour.ch und seit Kurzem gibt auch noch baseljetzt.ch, die neue Online-Marke von Telebasel. Wie haben Sie es geschafft, mit bescheidenem Budget in dem hart umkämpften Basler Medienmarkt zu überleben?
Knechtli: «Ich bin der einzige festangestellte Autor, gleichzeitig Geschäftsführer und Produzent, der mit freien Journalisten zusammenarbeitet, und auch mein eigener Sekretär. Mein Treuhänder sagte mir einmal, er habe noch nie eine so schlanke Firma gesehen.»

Wo sehen Sie in Zukunft die Nische für OnlineReports?
Peter Knechtli: «Die Nische bleibt in der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, der profilierten Analyse und dem ‚Status Primeur’, mit dem wir exklusive Neuigkeiten jeweils kennzeichneten. Einige Kollegen machten sich darüber lustig. Es war aber der Claim, der uns mit zu dem gemacht hat, was wir heute sind.»

Das Erscheinungsbild von OnlineReports.ch wirkt wie ein Relikt aus den Gründerzeiten des Internets. Das sticht ins Auge in einer Zeit, in denen die digitalen Designtrends immer ausgeklügelter und schnelllebiger werden. Was steckt hinter dieser optischen Eigenwilligkeit?
Knechtli: «Jeder optische Relaunch kostet sofort eine beträchtliche, mindestens fünfstellige Summe und nach zwei Jahren ist schon die nächste Auffrischung fällig. Das ist doch töricht. Dieses Geld investieren wir lieber in redaktionelle Leistung. So bleibt das Layout konservativ, aber zweckmässig und bedienerfreundlich. Mittlerweile höre ich Stimmen, die sagen, unser optischer Auftritt sein Kult, weil er ‚anders‘ sei. Warum also ändern und ähnlich werden wie alle andern? Letztlich sind die Inhalte entscheidend.»