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Mittwoch
31.05.2023

Medien / Publizistik

Jonas Projer entwickelte sich vom «Arena»-Dompteur zum Projektleiter von Blick TV, das im Februar 2020 auf Sendung ging. 2021 wechselte der Fernsehmann in den Printbereich der NZZ-Mediengruppe…             (Bild: Screenshot SRF)

Jonas Projer entwickelte sich vom «Arena»-Dompteur zum Projektleiter von Blick TV, das im Februar 2020 auf Sendung ging. 2021 wechselte der Fernsehmann in den Printbereich der NZZ-Mediengruppe… (Bild: Screenshot SRF)

Von aussen gesehen eine kleine Personalie: Christoph Zürcher soll seit ein paar Wochen Blattmacher bei der «NZZ am Sonntag» (NZZaS) sein, berichtete ein NZZ-Journalist dem Klein Report. Christoph Zürcher zählt zu den berühmtesten Reportern der Schweiz.

Die Qualifikationen für einen Blattmacher sind aber ganz andere als für einen Reporter. Zürcher mache den Job, weil niemand anders das machen wolle, zumindest unter Chefredaktor Jonas Projer.

Projer, der frühere Fernsehmann, steht seit Längerem unter Beschuss. Seit September 2021 ist er Chefredaktor des Sonntagsblattes. Er stellte sich der Redaktion damals via Videocall vor. Demut ist sicher eine gute Eigenschaft. Und so kam es bei einigen gut an, dass er offen über seine limitierten Schreiberfahrungen berichtete. Andere fanden das Bekenntnis irritierend. Der Chef kann also nicht schreiben?

Nach eineinhalb Jahren sind der Goodwill und die Luft draussen. Teile der Redaktion laufen gegen Projer an. Ihr Vorwurf ist elementar: Projer verstehe immer noch nicht, wie Print funktioniere. Seine Loyalität zeige er gegenüber dem Verwaltungsrat und der Chefredaktion der NZZ, aber nicht gegenüber der Redaktion.

Höhepunkt war ein Treffen der Ressortleiter. Thema der Sitzung: Wie soll es mit Projer weitergehen? Uneins verliessen die Regionalfürsten das Sitzungszimmer.

Der Frust sitzt aber immer noch tief. Vor zwei Wochen spitzte sich die Lage nochmals zu. Wie Inside Paradeplatz enthüllte, zog Projer einen Artikel der Wirtschaftsjournalistin Zoé Baches zurück. Im Text ging es um den Bericht der Zürcher Kanzlei Rudin Cantieni Rechtsanwälte AG im Falle des mittlerweile entlassenen «Magazin»-Chefredaktors Finn Canonica aus dem Hause Tamedia. Baches liess den Bericht von anderen Gutachtern überprüfen und kam zum Schluss, dass der bestellte Bericht mangelhaft sei.

Ein Sonntagsthema par excellence. Warum Projer den aufwändigen Artikel kübelte, erfuhr niemand. Ein Insider vermutet gegenüber dem Klein Report, dass der 41-Jährige keinen Streit mit Pietro Supino, dem Chef der TX Group, riskieren wollte. Denn wer weiss, an welcher Tür man einmal anklopft.

Der Klein Report konnte mit mehreren NZZaS-Journalisten reden. Immer wieder wurde Erstaunen darüber geäussert, warum der Verwaltungsrat Projer überhaupt einstellte und sich nun den Klagen nicht widmet. Eigentlich müsste ja auch dem Aufsichtsorgan aufgefallen sein, dass viele wichtige Journalistinnen und Journalisten in den letzten eineinhalb Jahren das Schiff verlassen haben und dass sich auch die erweiterte Chefredaktion immer wieder neu aufstellen musste.

Was den Verwaltungsrat interessiert, das sind anscheinend Zahlen. Zum Leidwesen von Jonas Projer. Eigentlich wurde er eingestellt, um neuen digitalen Wind in die Bude zu bringen. Der frühere «Arena»-Dompteur des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF) hatte die Idee, mit dem «NZZ am Sonntag Magazin» das enge Sonntags-Korsett aufzubrechen. Auf der Seite erscheinen nun täglich Artikel. Die Klickzahlen sollen erbärmlich sein, erfährt man von den Journalisten.

Projer kämpft aber nicht nur gegen die eigene Truppe und den ungeduldigen und ängstlichen VR. Ungemütlich wird es vor allem wegen der Konkurrenz. Reza Rafi ist der neue Chefredaktor des «SonntagsBlicks» von Ringier. Rafi haut in die Tasten, positioniert sich und ist bei den Mitarbeitenden beliebt. Noch gefährlicher aber ist Arthur Rutishauser. Der frühere Oberchefredaktor («Tages-Anzeiger», «SonntagsZeitung») bei Tamedia konzentriert sich nun wieder voll auf die «SonntagsZeitung».

Dass Rafi und Rutishauser abgesprochene Texte nachträglich canceln, ist bei diesen beiden Profis kaum denkbar.

Und im Unterschied zur Wochenpresse sind die Spontankäufe am Kiosk elementar. Wer von den drei Konkurrenten der Leserschaft die spannendste Headline anbietet, hat gewonnen. Umgekehrt liegt man hinten im Feld, wenn spannende und gut recherchierte Texte zurückgehalten werden.

Ein detaillierter Fragenkatalog des Klein Reports landete bei der NZZ-Medienstelle unter Karin Heim, ebenso bei Chefredaktor Jonas Projer. «Sicherlich haben Sie Verständnis, dass wir interne Personalien nicht kommentieren. Auch redaktionsinterne Entscheidungen zu einzelnen Themen und Geschichten kommentieren wir grundsätzlich nicht.»

Und zur Digitalstrategie antwortete man, dass es sich um ein strategisches Thema handle, das sich nicht an Klickzahlen festmachen liesse. Es gehe vielmehr um einen «ganzheitlichen digitalen Transformationsprozess innerhalb des Unternehmens NZZ», zu dem auch das Digitalmagazin zähle.