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Donnerstag
25.10.2018

Medien / Publizistik

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Knebelverträge, geringes Honorar und schlechte Kommunikation: Freischreiber, der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, berichtet von schlechten Arbeitsbedingungen bei der «Süddeutschen Zeitung», der «Neuen Zürcher Zeitung» und dem Westdeutschen Rundfunk (WDR).

Das ist dem Verband je eine Nomination für den «Hölle-Preis» 2018 wert.

Der Berliner Verband hat sich auf die Fahne geschrieben, die Öffentlichkeit über die herrschenden Umstände in den Medien zu informieren. Dabei setzt sich Freischreiber insbesondere für die Belange freier Journalisten und die Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeit ein.

Zu diesem Zweck wird einmal im Jahr der «Himmel- und Hölle-Preis» verliehen: In den sprichwörtlichen «Himmel» kommen Redaktionen, Personen, Verlage oder andere Unternehmen, die sich im vergangenen Jahr für die Belange des freien Journalismus eingesetzt haben. Und in die «Hölle» verbannt Freischreiber jene Vertreter, die «zum Schaden des Berufsstandes» beigetragen haben.

Dazu gehört nach Ansicht des Berufsverbandes unter anderem die «Süddeutsche Zeitung», die mit ihren Recherchen zu den «Panama Papers» und später den «Paradise Papers» einen Coup landete. Die Zeitung habe sich «grosse Verdienste erworben, wenn es darum geht, aufzudecken, in welche Steueroasen die Reichen ihre Milliarden retten», heisst es zur Nomination für den «Hölle-Preis». Als klassisch liberale Zeitung ergreife die «Süddeutsche» in der Flüchtlingsfrage und bei Justizskandalen Partei für die Schwachen.

Doch wenn es um die Arbeitsbedingungen ihrer freien Journalisten geht, zeige die Münchner Tageszeitung ein anderes Gesicht. «So gibt die SZ die bei ihr erschienenen Texte an den Schweizer Verlag Tamedia weiter und wird dafür gut bezahlt. Die Beteiligung der Autoren an diesem Deal? Null.»

Deshalb wurde das Blatt bereits im letzten Jahr mit dem «Hölle-Preis» getadelt. Dass sich die Bedingungen in der Zwischenzeit nicht verbessert hätten, rechtfertige zusammen mit dem schlechten Kommunikationsverhalten von Verlag und Chefredaktion eine weitere Nominierung. «Alle unsere Einladungen zum Gespräch wurden abgelehnt. `Süddeutsche`, wir müssen reden.»

Der zweite Titel auf der Liste der Nominierten wird vom Verband zunächst für seine investigativen Recherchen gelobt. «Keine Frage: Wer NZZ liest, ist informiert», heisst es über die alte Dame aus Zürich. Bei der Abschaffung ihrer eigenen Missstände lege die Zeitung aber nicht den gleichen Eifer an den Tag, bemängelt Freischreiber. So würden Freie mit Knebelverträgen dazu genötigt, ihr Urheberrecht vollumfänglich abzutreten. «Wer einen Text einmal in der NZZ publiziert hat, darf dies nirgendwo anders mehr tun. Für eine solch umfangreiche Rechteabtretung dürfte man ein ordentliches Honorar erwarten», heisst es aus Berlin.

Die NZZ-Realität sähe anders aus: In manchen Ressorts gebe es «mal knapp über 600 Euro» für eine komplette Seite - und das bei einem Rechercheaufwand von einer Woche «oder länger», wie Freischreiber weiter berichtet.

Auch der WDR steht auf der ungewünschten Nominiertenliste, weil sich der Sender im Umgang mit freien Journalisten knausrig zeige. «Selbst drehen, selbst schneiden, selbst vertonen, Sendungen selbst fahren. Und das teilweise sogar komplett unbezahlt: Freie Fernsehautoren beim WDR bekommen für selbst geschnittene Kurzbeiträge kein Extrahonorar.» Hauseigene WDR-Autoren selber erhielten für den Eigenschnitt «gerade mal 10,5 Prozent Honorar extra, 12,5 Prozent bei eigener Schnitt-Software-Technik».

Der Gewinner des «Hölle-Preises» wird am 17. November in Berlin gekürt - zusammen mit dem Träger des «Himmel-Preises», der sich wesentlich mehr über die Preisvergabe freuen dürfte. Die vier Kandidaten für den «Himmel» sind vginfo.org, das Unternehmermagazin «Impulse», die P.M.-Gruppe und die 19 freien Journalistinnen und Journalisten der «Esslinger Zeitung».