Ab dem 30. März läuft auf SRF zwei eine neue Serie. Der Krimi «Nebensaison» wurde vom welschen Fernsehen RTS produziert.
Es geht um einen Mord in einem aufstrebenden Tourismusgebiet. Nach dem Ende der Hauptsaison bringt die Schneeschmelze eine Leiche zum Vorschein. Bei den Aufklärungsarbeiten der Polizei muss die zuständige Kommissarin realisieren, dass ihr eigener Sohn mit der Sache zu tun hat. Wie weit geht sie, um ihn zu schützen?
Regie führte der in Zürich lebende Freiburger Pierre Monnard. Sein «Platzspitzbaby» war Ende des Corona-Jahres 2020 mit 334'852 Besucherinnen und Besuchern der erfolgreichste Kinofilm in der Schweiz. Monnard realisierte auch zwei Folgen der Erfolgsserie «Wilder».
Der Klein Report hat Pierre Monnard in Zürich zu einem Interview getroffen.
«Platzspitzbaby», «Wilder», «Neumatt»: Sie sind aktuell der wohl gefragteste Regisseur in der Schweiz. Werden sie mit Stoffen überhäuft, die auf ihren guten Namen spekulieren, oder müssen Sie auch um Aufträge kämpfen?
Pierre Monnard: «Es stimmt, dass ich viele Anfragen bekomme. Diese befinden sich in den verschiedensten Stadien der Entwicklung. Manchmal sind es fertige Drehbücher. Lieber habe ich es aber, wenn ich bereits bei der Entwicklung der Stoffe beigezogen werde. Dann arbeiten wir in einem Team. Aber auch, wenn wir zusammen bereits Erfolge vorweisen können, bleibt es weiter ein harter Kampf, bis ein Film tatsächlich realisiert werden kann.»
Bei «Nebensaison» sind Sie bereits während des Schreibens zum Projekt gestossen. Die Story war vorhanden. Was konnten Sie noch einbringen?
Monnard: «Bei meinem Einstieg war schon die Hälfte der Episoden geschrieben. Gemeinsam mit den Autorinnen wurde dann der Rest entwickelt. Was ich als Regisseur in diesem Stadium einbringen konnte, war das Casting, die Locations, eigentlich die Übersetzung dieser Texte in die Realität. Da ist es, wo ich als Regisseur meine Rolle finde.»
Man kennt Sie vor allem aus Filmen nach Drehbüchern von anderen. Ist der Autorenfilm für Sie kein Thema? Oder waren Ihre ersten Kurzfilme «Swapped» and «Come Closer», die Ihnen gleich nach dem Filmstudium in London unzählige Preise eingebracht haben, nach eigenen Büchern?
Pierre Monnard: «Ich habe die Drehbücher zu diesen beiden Filmen geschrieben. Aber ‚Swapped‘ basierte auf einem Buch und damit auch die Idee zum Film. Was ich aber durch all meine Jahre entdeckt habe: Ich fühle mich gut mit einer Einengung. Du bist nicht frei, man gibt dir einen Content zusammen mit einem Set von Regeln. Mach etwas damit! Eine solche Forderung macht mich kreativ, und plötzlich habe ich dann Ideen und eine Struktur, mit der ich arbeiten kann.»
Sie haben auch Musik-Videos sowie Werbung gemacht und schafften es bis auf die Shortlist von Cannes. Können Sie aktuell darauf verzichten oder wäre das wieder mal ein Thema?
Monnard: «Ich mache immer noch sehr gern Werbung. Natürlich viel weniger als vorher, weil mir für mehr die Zeit fehlt. Aber ich schaue viel Werbung im TV und ich denke immer noch, dass für mich die Werbung die beste Filmschule war, die ich gemacht habe. »
Sowohl bei der kürzlich gelaufenen Serie «Sacha» von RTS wie «Nebensaison» sind Kommissarinnen die Hauptfiguren. Und beide sind auch privat in einen Mord verwickelt. Haben die Welschen ein gewissen Misstrauen gegenüber Frauen im Polizeiberuf?
Pierre Monnard: (lacht) «Es ist natürlich ein Zufall. Auch wurde ‚Nebensaison‘ von drei Frauen aus Frankreich geschrieben. Damit angefangen haben sie vor vier Jahren.»
Wieso setzt das welsche Fernsehen auf ausländische Ideen?
Monnard: «Vor vier Jahren haben die Autorinnen aus Frankreich mit ihrer Idee am Séries Mania in Lille gepitched. Das ist eines der grössten Serien-Festivals der Welt. Im Publikum befand sich ein Schweizer Produzent, dem die Idee sehr gefallen hat. Er hat sich das Projekt geschnappt und dann unsere heutige Koproduktion mit Akka Films in Genf sowie Gaumont in Frankreich und RTS auf die Beine gestellt.»
Vier Jahre hat es gedauert, bis der Film nun ausgestrahlt werden kann. Ist eine solch lange Zeitdauer die Norm?
Pierre Monnard: «Vier Jahre sind nicht ungewöhnlich. Ich würde sogar sagen, die durchschnittliche Zeit für die Entwicklung einer Serie. Man muss sehr viele Szenen mit etwa 500 Seiten Drehbuch schreiben, das braucht Zeit.»
Es braucht auch Zeit für jemanden, diese 500 Seiten zu lesen.
Monnard: «Ja, jemanden zu finden, der sich die Zeit nimmt, all das zu lesen und dann noch Geld hat für die Realisation, das ist ein Wunder. Man muss im Verlaufe eines Projekts sehr viele Leute überzeugen.»
Wir stehen vor der Abstimmung zu Lex Netflix: Wie schätzen Sie das Potenzial ein, dass die Schweiz noch mehr internationalen Content produzieren kann? Sie kennen ja die internationale Szene.
Pierre Monnard: «Unsere Chancen sind sehr gross. Wir haben vor rund zehn Jahren angefangen, Serien in der Schweiz auf einem modernen Niveau zu produzieren. Die Schweizer Filmindustrie hat in dieser Zeit sehr viel gelernt. Jetzt sollten die Samen, die vor zehn Jahren gepflanzt wurden, aufgehen und es könnte aus einem Samen ein schöner Baum werden. Jetzt haben wir eine Basis, auf der wir etwas Solides bauen können. Für mich sieht die Zukunft für Schweizer Serien sehr vielversprechend aus».
Wie sehen Ihre weiteren Projekte aus?
Monnard: «Ich habe mehrere Projekte in Entwicklung. In der Schweiz drei. Die Geschichte eines Schwingers, der akzeptieren muss, in Frankreich illegale Kämpfe zu machen, um seine Familie ernähren zu können. Das andere ist ein Biopic über die Zürcher Werbetexterin Emmi Creola-Maag. Sie war 1956 die Erfinderin der fiktiven Hausfrau Betty Bossi und eine in ihrer Epoche sehr aktive, aber lange unterschätzte Frau.»