Wohl niemand würde in einer Fernsehzeitschrift nach einer Homestory des neuen alten UBS-CEO Sergio Ermotti suchen.
Und doch widmet ihm Ringier Axel Springer Schweiz gleich sechs Seiten in der Erstausgabe der neuen Doppelzeitschrift «L'Illustré / TV8»: Sergio Ermotti beim Getränke schlürfen, Sergio Ermotti in romantischer Pose mit Ehefrau Tina, Sergio Ermotti im Freizeittenü als Hobbykicker.
Es ist ein Wohlfühl-Porträt über «le Superbanquier», wie es im Artikel mit dem Titel «retour vers le futur» heisst. Das könnte auch gleich der inoffizielle Untertitel der ganzen 140-seitigen Zeitschrift sein, die der Klein Report aufmerksam durchgeblättert hat.
Mit der am Donnerstag erfolgten Zusammenlegung der gleichermassen vom Auflagenschwund betroffenen Zeitschriften «L'Illustré» und «TV8» versucht Axel Springer Schweiz die vermeintlichen Auslaufmodelle Familienillustrierte mit gesellschaftskritischem Ansatz auf der einen Seite und Fernsehzeitschrift auf der anderen Seite in die Zukunft zu retten.
Dabei entsteht eine sonderbare Mischung, die erstaunlich blass ausfällt. Bereits die Titelstory ist eine Verlegenheitslösung. Es handelt sich um ein Interview mit der Journalistin Jennifer Covo, welche einen Grossteil der Wochenendausgaben der Westschweizer Tagesschau «19:30» moderiert.
Sie spricht unter anderem darüber, wie sie einschneidende Ereignisse wie die Terroranschläge von Paris oder die Corona-Pandemie als Journalistin erlebt hat. Ob das auch politisch interessierte langjährige «L'Illustré»-Publikum jede Woche mit solchen Porträts von SRG-Mitarbeitenden zufrieden gestellt werden kann?
Die weiteren grossen Themen im Heft: Eine Reportage über die grüne Bewegung der Klima-Grosseltern, ein Interview mit Fussball-Nationalgoalie Gaëlle Thalmann, ein Besuch in der englischen Kleinstadt Pondbury, ein Porträt über das Tier der Woche Grizzlybär und – das mit Abstand mutigste Thema für eine auch an die Fernsehfamilie gerichtete Zeitschrift – eine Recherche über einen Waadtländer Coiffeur, der Minderjährige missbraucht hat.
Dem Heft hätten mehr solche Geschichten mit Relevanz gut getan, findet der Klein Report. Auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung des generell unter starkem Druck stehenden Westschweizer Journalismus.
Doch viel Platz bleibt nicht für den eigentlichen Journalismus, denn schliesslich muss die Zeitschrift auch das Fernsehprogramm der kommenden sieben Tage umfassend abbilden. Schon bisher beinhaltete «L'Illustré» eine TV-Übersicht in straffer Form, die in der Vorwoche auf Seite 85 begann. In der Ausgabe vom 6. April 2023 heisst es dagegen schon ab Seite 67 und somit ziemlich genau bei Heftmitte «Tous vos programmes du 8 au 14 avril».
Hier erfährt die Leserschaft, dass auf TF1 die neue Staffel der Promitalentshow «The Mask Singer» startet, France 3 die schottische Krimiserie «Annika» eingekauft hat und ab Sonntag ausstrahlt, und – echt schon wieder, lästert man als Sportlaie – eine neue Marco Odermatt-Dokumentation zur besten Sendezeit auf RTS1 ausgestrahlt wird.
Dazu wie gehabt die Programmraster von 98 Fernsehsendern, darunter auch 10 deutschsprachigen von SRF1 und SRFzwei bis hin zu RTL und ORF2.
Es bleibt abzuwarten, wie dieser etwas halbgare Mix – ein Kochrezept hat es natürlich auch auf Seite 57 – langfristig ankommt bei den Leserinnen und Lesern.
Wie der Klein Report von einer Leserin erfahren hat, lässt Ringier Axel Springer Schweiz jedenfalls nichts unversucht, um einen weiteren Rückgang der Abonnentenzahlen zu stoppen. So wurde der Leserin noch vor Erhalt der Erstausgabe erst telefonisch und dann auch schriftlich ein zusätzlicher Gratismonat angeboten für den Fall, dass sie ihr Abonnement trotz aller Veränderungen um zwölf Monate verlängert.
Der Klein Report meint: Der leidgeplagten Westschweizer Medienlandschaft wäre eine erfolgreiche Zukunft der neuen Doppelzeitschrift «L'Illustré / TV8» zu gönnen. Doch können wir derzeit in all den Storys über Superbanker und SRG-Mitarbeitende noch kein nachhaltiges Erfolgskonzept erkennen.