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Donnerstag
06.07.2023

TV / Radio

«Ein Nicht-Eintretensentscheid durch die UBI wäre eine Chance gewesen für eine vertiefte Auseinandersetzung», findet UBI-Vizepräsidentin Catherine Müller. (Bild © SRF)

«Ein Nicht-Eintretensentscheid durch die UBI wäre eine Chance gewesen für eine vertiefte Auseinandersetzung», findet UBI-Vizepräsidentin Catherine Müller. (Bild © SRF)

Obwohl das Bundesgericht befand, dass die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) auch für Kommentar-Löschungen zuständig ist, tat sich das Gremium letzte Woche schwer, auf die entsprechende Beschwerde einzutreten.

Das UBI-Prozedere sieht vor, dass die Beschwerden vor den Sitzungen jeweils einem Referenten oder einer Referentin zugeteilt werden. Im Fall der Kommentar-Löschungen war diese die UBI-Vize-Präsidentin und Rechtsanwältin Catherine Müller.

Sie plädierte für Nichteintreten mangels Zuständigkeit, worauf ein anderes UBI-Mitglied einen Gegenantrag auf Eintreten stellte. Nach einer Stunde intensiver Diskussion entschied das Gremium mit 5 zu 4 Stimmen, auf die Beschwerde einzutreten.

Dem Urteil des Bundesgerichts liegt ein Verständnis zugrunde, das neu Artikel und Kommentare als Einheit und damit als «redaktionelle Publikation» im Sinne des Bundesgesetzes über Radio- und Fernsehen (RTVG) definiert. So begründeten das Lausanner Gericht, weshalb die UBI neuerdings für Kommentar-Löschungen zuständig ist.

«Diese Betrachtungsweise ist dem Medienverständnis nicht dienlich, es schadet den professionellen Medien und dem Qualitätsjournalismus, ihrer Glaubwürdigkeit und Relevanz, gerade in diesen für die Branche herausfordernden Zeiten», sagt Catherine Müller, die seit 2014 in der UBI ist, gegenüber dem Klein Report.

Die UBI sei vom Gesetzgeber als «Rechtsschutzinstanz für das Publikum» geschaffen worden, um dessen freie Meinungsbildung zu gewährleisten, und nicht, um Einzelinteressen durchzusetzen.

«Die Netiquette von SRF formuliert transparente Regeln für Kommentare und deren Handhabung in Form einer Selbstregulierung. Mit dem Bundesamt für Kommunikation (Bakom) und dem Presserat sind bereits geeignete und bewährte Aufsichtsorgane vorhanden, um deren Zweckmässigkeit, Umsetzung und Durchsetzung zu überprüfen und bei Bedarf proaktiv einzuschreiten», argumentiert die UBI-Vizepräsidentin.

Müller war von 2007 bis 2011 Mitglied der Geschäftsleitung und Rechtskonsulentin beim Schweizer Verlegerverband (Verband Schweizer Medien) und Ende der 1990er-Jahre während mehreren Jahren Leiterin Programmdienste beim Schweizer Fernsehen (SRF).

Der Gang über die UBI bezeichnet Müller als «konstruiert». Denn den Betroffenen stehe es offen, vom Bakom eine sogenannt beschwerdefähige Verfügung zu verlangen. Damit sei die Rechtsweggarantie gemäss Bundesververfassung gewährleistet. 

Ein weiterer heikler Punkt sieht Catherine Müller in dem Eingriff in die Programmautonomie. Die Medienfreiheit der SRG steht der Meinungsäusserungsfreiheit der Kommentarschreibenden gegenüber, wodurch im Einzelfall eine Grundrechtskollision entstehe. 

«Ein Nicht-Eintretensentscheid durch die UBI wäre eine Chance gewesen für eine vertiefte Auseinandersetzung und Neubeurteilung durch das Bundesgericht wie auch durch die Lehre, Praxis und die Politik.»