Der Schlagabtausch zwischen der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) und der «NZZ am Sonntag» (NZZaS) über Exklusiv-Informationen einzelner Medien wird verbal hart geführt. Während NZZaS-Chefredaktor Felix E. Müller einen Frontalangriff von der SDA und dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) vermutet, krebst Bernard Maissen, Chefredaktor der Agentur, nun zurück: «Das Thema hat eine Eigendynamik angenommen, die wir nicht gesucht haben», sagte er zum Klein Report.
Was bisher geschah: Die SDA vermeldete am Montag auf dem eigenen SDA-Ticker unter dem Titel «Bevorzugung einzelner Medien mit Vorab-Informationen», dass man nicht über eine Studie, die im Auftrag von Pro Juventute zum Thema «Immer seltener spielen Kinder in der Schweiz im Freien» erstellt wurde, berichten werde.
Pro Juventute habe die Informationen «vorab der `NZZ am Sonntag` exklusiv zur Verfügung gestellt», schimpfte die SDA. Damit wolle man «ein Zeichen» gegen diesen «zunehmenden Trend» setzen. Einen Tag später verzichtete die SDA auch bei einem Report der Grossbank Credit Suisse (CS) - aus dem gleichen Grund - auf eine Berichterstattung. Daraufhin sah auch das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) öffentlichkeitswirksam davon ab, über die CS-Studie zu berichten.
Felix E. Müller erklärte gegenüber dem Klein Report den Sachverhalt aus seiner Sicht: Die NZZaS habe eigentlich aufgrund einer «anderen Recherche» Kontakt mit Pro Juventute aufgenommen und sei deshalb auf die genannte Studie aufmerksam geworden. Den Ärger der SDA und die damit verbundene Aufregung versteht er deshalb nicht im Geringsten. Müller weiter: «Dieser Vorgang gehört seit Jahren zu den Realitäten des Metiers. Man muss damit umgehen können.» Die Forderung nach Gleichberechtigung von Seiten der SDA hält er ebenfalls «nicht im Geringsten» für gerechtfertigt. «Der Mediensektor ist zu guten Teilen immer noch privat organisiert. Hier spielt der Wettbewerb», begründet der Chefredaktor des Sonntagsblattes seinen Standpunkt.
Auf der anderen Seite ist Bernard Maissen darum bemüht, die Brisanz des Themas runterzuspielen: «Eigentlich ging es nur um eine Kundeninformation in einer Notiz an die Redaktionen», sagt er dem Klein Report, bezugnehmend auf die Mitteilung vom Montag. «Wir wollten unsere Kunden informieren, dass wir zwei Anlässe, die auf den Monatsprogrammen aufgeführt waren, nicht abdecken, und ihnen auch eine Begründung liefern».
Müller vermutet hingegen eine Bestrafung der «NZZ am Sonntag», da die NZZaS ab 2017 auf die Dienste der SDA verzichtet. Dafür werde die Zeitung nun abgestraft: «Die SDA hat ja selbst gesagt, es handle sich bei dem Vorfall um ein Beispiel für einen wachsenden Trend. Weshalb dann gerade dieser Fall gewählt wurde, um ein Exempel zu statuieren, liegt für mich auf der Hand. Den Schaden, den die SDA und SRF anstreben, ist klar: Man will Firmen und Organisationen davon abbringen, einzelne Medien vorab mit Informationen wie Studien etc. zu bedienen», erklärte Müller gegenüber dem Klein Report.
Für das Publikum ist unklar, weshalb nach der SDA auch SRF auf den Zug der Pseudo-Empörung aufgesprungen ist. Müller erklärt sich das wie folgt: «Da markierte das SRF einfach die beleidigte Leberwurst und versucht, dank ihrer Marktmacht den Firmen auszutreiben, weiterhin gewisse Medien im Voraus mit Informationen zu bedienen. Im Kern geht es also um den Versuch, die private Konkurrenz auszuschalten. Denn hätte etwa das SRF-Magazin ECO diese CS-Studie zu den Vermögensverhältnissen der Schweizer exklusiv erhalten, hätte die Redaktion keine Sekunde gezögert, dies zum Thema ihrer nächsten Sendung zu machen.»
Gemäss Recherchen bei beteiligten Personen erhält die SDA seit Jahren Material mit Informations- und Zeitvorteilen. Dass die Agentur Informationen vorab mit Sperrfrist erhält, welche andere Medien erst Tage später bekommen, ist im umgekehrten Fall für die SDA ganz selbstverständlich. «Die Agentur erhält wie andere Medien auch zum Teil Informationen mit Sperrfrist vorab. Das sind zum Beispiel Bundesgerichtsurteile. Das hat nichts mit exklusiver Vorab-Belieferung zu tun», wiegelt Maissen fälschlicherweise ab, denn hier sind kleinere Einzelredaktionen dementsprechend auch benachteiligt. Zu den Mitteilungen, in denen sich die SDA über die «Bevorzugung einzelner Medien» beschwert, ergänzt der Chefredaktor der SDA nebulös: «Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Kritik an den Medien, sondern an den Kommunikationsagenturen.»
Demnach steht nicht die NZZaS, sondern die Stiftung Pro Juventute in der Kritik. Bernhard Bürki, Verantwortlicher Kommunikation der Stiftung, erklärt gegenüber dem Klein Report am Donnerstag, dass Pro Juventute auf ein detailliertes Statement zum SDA-Fall verzichten und die Sache bilateral regeln möchte. «Die SDA ist als einzige Nachrichtenagentur der Schweiz auch ein wichtiger Kanal für die Kommunikation von Unternehmen und Organisationen in der Schweiz. Wir haben mit der SDA Kontakt aufgenommen und werden das Thema mit der Redaktion direkt diskutieren», so Bürki vielsagend, womit er auf das De-facto-Monopol der SDA anspielt.
Bernard Maissen bestätigt, dass die SDA inzwischen mit der CS und mit Pro Juventute Kontakt hatte. «Das Thema ist abgeschlossen», sagt er dem Klein Report.
Zum Schluss hat Chefredaktor Felix E. Müller einen guten Ratschlag für seine Kollegen: «Selbstverständlich kommt es ständig vor, dass Konkurrenten im Sonntagsmarkt oder dass das Fernsehen SRF oder die SDA exklusiv Informationen zur Publikation erhalten. Man geht damit am besten professionell um: Man anerkennt, dass die Konkurrenz besser gearbeitet hat und strengt sich umso mehr an, damit man nächstes Mal im Wettbewerb die Nase vorn hat.»