Gisèle Pelicot (72) wurde über ein Jahrzehnt hinweg von ihrem Ehemann und mindestens 49 weiteren Männern systematisch vergewaltigt.
Der Ehemann hatte sie betäubt und sie im Internet zum Missbrauch angeboten. Der Fall, der durch Gisèle Pelicots Mut öffentlich wurde, sorgt weltweit für Aufmerksamkeit und könnte Auswirkungen auf künftige Sexualstrafgesetze haben.
«Die Scham muss die Seite wechseln», erklärte Pelicot vor Gericht. «Nicht wir Frauen sollten uns schämen, sondern sie.» Diese Worte der Überlebenden stehen sinnbildlich für eine Bewegung, die Opfer stärkt und Täter zur Verantwortung zieht.
Der Skandal wurde erstmals 2020 aufgedeckt, als die Polizei den Ehemann wegen Voyeurismus festnahm. Er hatte Frauen in Supermärkten heimlich unter den Röcken gefilmt. Bei der Durchsuchung seines Hauses stiessen die Ermittler auf ein umfangreiches Archiv von Fotos und Videos, das die systematische Vergewaltigung seiner Frau dokumentierte.
Am 19. Dezember 2024 verurteilte ein Gericht in Avignon den Ehemann nun zu über 20 Jahren Gefängnis. Auch die weiteren Täter wurden alle schuldig gesprochen. Die Urteile sind jedoch noch nicht rechtskräftig.
Die Berichterstattung über den Fall war international. Der Spiegel macht daraus die vierteilige Podcast-Serie «Avignon - Der Prozess Pelicot». Während «Die Welt», ARD, ZDF und CNN umfassend über die Urteilsverkündung berichteten, sorgte der Schweizer Sender SRF mit einer sachlich falschen Überschrift für Kritik. Das Schweizer Radio und Fernsehen behauptete, der Täter sei verurteilt, was nicht stimmt, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Die NZZ glänzt mit einem langen Artikel über die Bedeutung des Falls über die französische Grenze hinaus und bringt zwei Vergleiche mit ähnlich brisanten Fällen in der Schweiz. So wies die NZZ darauf hin, dass erst kürzlich in einem Vergewaltigungsprozess in Basel die Gerichtspräsidentin das Opfer beschuldigte, «mit dem Feuer gespielt» zu haben, weil sie einvernehmlichen Sex mit einem Mann auf einer Toilette hatte.
In einem anderen Fall in Chur empfahl der Richter der Betroffenen, «die Beine stärker zusammenzupressen». Das Echo blieb nicht aus.
Während in Frankreich durch den Fall Pelicot die Scham «die Seite gewechselt» hat, bleibt in der Schweiz noch viel zu tun. Der Umgang mit Opfern und die strafrechtliche Verfolgung von Tätern stehen weiterhin in der Kritik.
Gisèle Pelicot selbst wird als Symbol für den Kampf gegen «Rape-Culture» und Pornografie, für die Veränderung von Scham und Schande von den Frauen hin zu den Tätern gefeiert.