Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (Edöb) Adrian Lobsiger hat am Dienstag seinen neuen Tätigkeitsbericht den Medien präsentiert.
Der Klein Report sprach mit dem obersten Datenschützer über die zunehmende Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips durch manche Behörden, über die zunehmende Arbeitslast seines Amtes sowie die Probleme im Rahmen der Ricardo-Userdaten, die von der TX Group zu Werbezwecken verwendet worden sind, weshalb nun die Wiederaufnahme aufsichtsrechtlicher Schritte geprüft werde.
Sie haben sich mit dem Öffentlichkeitsprinzip im Jahr 2024 beschäftigt. Sie sprechen von einem Rekord an Zugangsgesuchen und Schlichtungsanträgen. Weshalb ist das Ihrer Ansicht nach so?
Adrian Lobsiger: «Der Bekanntheitsgrad des Gesetzes wird grösser und das Interesse interessierter Bürger wie auch der Medienschaffenden an der Transparenz der Verwaltungstätigkeit ebenfalls.»
Die Datenschutzverletzungen haben zugenommen und sind für Ihre Amtsstelle dementsprechend teurer geworden. Können Sie das in Prozenten und Franken beziffern?
Lobsiger: «Das eidgenössische Parlament hat vor dem Inkrafttreten des neuen Datenschutzgesetzes (DSG) neun zusätzliche Vollzeitstellen für Datenschutzbelange gesprochen, die wir nebst den nach wie vor wichtigen Beratungs- und Sensibilisierungsaufgaben verstärkt für aufsichtsrechtliche Handlungen zum Einsatz bringen.»
Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Adrian Lobsiger: «Wir haben im Berichtsjahr über tausend Anzeigen erhalten. Die Gründe für die Zunahme an Datenschutzverletzungen und der Wichtigkeit des Datenschutzes ergeben sich aus der Breite der digitalen Datenbearbeitungen und der hohen Anzahl an betroffenen Nutzerinnen und Nutzern mobiler Endgeräte. Ausserdem floriert die weltweite Vermarktung von Daten.»
Die Bundesbehörden versuchen, die Verwaltungstransparenz mehr und mehr einzuschränken. Welches war 2024 der schlimmste Fall diesbezüglich?
Lobsiger: «Der Edöb führt eine Liste der Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgesetz, welche er in seinem Tätigkeitsbericht publiziert. Im Gegensatz zum Datenschutz kommen dem Edöb in seiner Funktion als Öffentlichkeitsbeauftragter keine Aufsichtsfunktionen zu, sodass er keine weiteren Kommentare zu der Liste abgibt.»
Was kann man aus Sicht des Edöb dagegen tun?
Adrian Lobsiger: «Der Beauftragte nimmt in den jeweiligen Konsultationsverfahren, welche die Verwaltung und der Bundesrat durchführen, zu den Legaltexten Stellung, indem er sich gegen die geplanten Ausnahmen und für eine Beibehaltung der Geltung des Öffentlichkeitsgesetzes ausspricht. Letzteres sieht bereits eine Vielzahl von Ausnahmegründen vor, die im Einzelfall zur Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen angewendet werden können. Wenn das eidgenössische Parlament die Anträge des Bundesrats auf Einschränkung des Öffentlichkeitsgesetzes in Kenntnis der Bedenken des Beauftragten gutheisst, muss Letzterer dies akzeptieren.»
Immer mehr Verwaltungen werden ja auch selber verlegerisch aktiv. Wie hat sich das 2024 beim Edöb gezeigt?
Lobsiger: «Die Bundesämter erarbeiten entsprechende Gesetzesentwürfe, die jedoch von den politischen Organen genehmigt werden müssen.»
In welchen Bereichen der Behördentätigkeit und bezüglich welcher Art von Dokumenten (Vertraulichkeitsstufen et cetera) wird das Öffentlichkeitsprinzip besonders häufig eingeschränkt?
Adrian Lobsiger: «Es betrifft grundsätzlich alle Aufgabenbereiche von Regierung und Verwaltung, namentlich auch solche, bei denen hohe Summen von Steuergeldern eingesetzt werden. Die Besonderheit liegt darin, dass Regierung und Parlament der Auffassung sind, dass die Anwendung der gesetzlichen Ausnahmen dem Edöb und den Bundesgerichten entzogen und eine Anwendung des Öffentlichkeitsprinzips zum Vornherein ausgeschlossen werden soll. Von geplanten Ausnahmen kann der Beauftragte in den entsprechenden Konsultationen abraten. Sind sie von den politischen Organen einmal beschlossen, muss sie der Edöb akzeptieren.»
In über zwei Dritteln der Gesuche konnten die Schlichtungsverfahren nicht innerhalb der 30-tägigen Frist erledigt werden. Weshalb?
Lobsiger: «Neben der Zunahme der Schlichtungsanträge von über 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr nimmt auch die Komplexität der Anfragen zu. Ein Gesuch betrifft heute in den wenigstens Fällen ein einziges Dokument. Es geht meist um komplexe Vorfälle, die mit viel Zeitaufwand bearbeitet werden müssen.»
Für die Medienschaffenden können aus solchen Verzögerungen beim Zugang zu Dokumenten Schaden entstehen. Wie beurteilen Sie dies in Ihrer Funktion als Öffentlichkeitsbeauftragter?
Adrian Lobsiger: «Wir bedauern die Verzögerungen und versuchen mit einer möglichst hohen Anzahl an einvernehmlichen Schlichtungen den weiteren Anstieg von Bearbeitungsrückständen zu verhindern. Mit 76 Prozent ist dieser Anteil in der Berichtsperiode sehr hoch ausgefallen.»
Wird aus Ihrer Sicht das Öffentlichkeitsgesetz manchmal auch missbraucht?
Lobsiger: «Das BGÖ hat zum Ziel, die Bevölkerung zu informieren, und alle in Anwendung dieses Gesetzes erteilten Informationen dienen diesem Zweck. Der Antragsteller muss zum Zeitpunkt der Antragstellung keine Gründe für sein Gesuch nennen. Rechtsmissbräuche im Sinne wiederholter und systematischer Anträge, die darauf abzielen, die ordnungsgemässe Arbeitsweise einer Behörde zu beeinträchtigen, sind selten und entsprechende Absichten schwer nachweisbar.
Im letzten Jahr haben Sie sich auch mit der TX Group befasst. Dabei ging es um die Weiterbearbeitung von Ricardo-Userdaten zu Werbezwecken. Die TX Group lehnte Ihre Empfehlungen ab und berief sich dabei darauf, dass das Datenschutzgesetz veraltet sei und es sich zudem nicht um Personendaten handle. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Adrian Lobsiger: «Die Sachverhaltsabklärung wurde unter dem alten Datenschutzgesetz eröffnet und geführt und nach dessen Bestimmungen abgeschlossen.»
Welche weiteren Schritte werden Sie in diesem Fall unternehmen?
Lobsiger: «Mit Blick auf den neuen Leitfaden des Edöb betreffend die Datenbearbeitung mittels Cookies wird zurzeit die Wiederaufnahme aufsichtsrechtlicher Schritte nach neuem Recht geprüft.»