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Dienstag
07.03.2017

Medien / Publizistik

Der oberste Schweizer Datenschützer Adrian Lobsiger hält Internetnutzer dazu an, Geschäftsbedingungen nicht einfach wegzuklicken. Und er verlangt vom Bundesrat das Öffentlichkeitsprinzip hochzuhalten, wie er in einem Interview mit dem «St. Galler Tagblatt» erklärt.

Lobsiger appeliert beim Datenschutz an die Selbstverantwortung der Bürger. Was meint er konkret damit? Adrian Lobisger: «Die Konsumenten sollen die Geschäftsbedingungen der Internetkonzerne durchlesen und sie nicht einfach wegklicken. Und wo möglich sollen sie wählen, wie viel sie von sich preisgeben wollen», erklärt Lobsiger. «Voraussetzung dafür ist aber, dass die Anbieter von Onlinediensten Transparenz herstellen. Sie müssen auf ihrem Webangebot angeben, welche Daten sie wo und wie beschaffen, wohin sie diese weitergeben und wie sie diese im Rechenzentrum beziehungsweise in der «Cloud» bearbeiten», so Lobsiger gegenüber dem Journalisten Tobias Bär.

«Weiter sollen die Anbieter Auswahl- und Widerspruchsmöglichkeiten online zur Verfügung stellen. Das fordern wir mit Nachdruck. Wenn die Anbieter dieser Aufforderung nachkommen, dann erwarten wir natürlich auch, dass die Nutzer davon Gebrauch machen», wünscht sich der Schweizer Datenschützer.

Werden Google und Co. mit dem neuen Datenschutzgesetz, das derzeit in der Vernehmlassung ist, stärker in die Pflicht genommen? Lobisger;: «Im Gesetz sollen die Transparenzpflichten, die eigentlich heute schon gelten, noch präzisiert werden.» Ausserdem gehe es darum, die Schweizer Datenschutz-Standards gesamteuropäisch anzugleichen.

Und es wird festgehalten, was die Gerichte längst vorgespurt haben: Dass sich der Anbieter an die Rechtsordnung des Staates zu halten hat, in dem die Person lebt, deren Daten er bearbeitet. Mit der neuen Datenaustauschregelung mit den USA habe man eine zusätzliche Handhabe, dass sich auch die grossen Internetunternehmen im Silicon Valley daran halten.

Datenschutzbeauftragte haben dieses «Privacy Shield»-Abkommen kritisiert. Die Daten europäischer Nutzer seien weiterhin nicht geschützt vor der wahllosen Überwachung durch US-Geheimdienste.

Zurück zum neuen Schweizer Datenschutzgesetz. Abgesehen von den strengeren Transparenzvorschriften – welche zusätzlichen Verbesserungen bringt das Gesetz? Adrian Lobisger: «Wenn Unternehmen oder der Staat Projekte planen, bei denen grosse Mengen von persönlichen Daten involviert sind, dann müssen sie die datenschutzrechtlichen Risiken neu von Beginn weg abschätzen. Das ist auch in ihrem Interesse», erklärte er im «St. Galler Tagblatt».

«So wird verhindert, dass wir erst das fertige Produkt anschauen und dies dann teuer abgeändert werden muss, wie das beim Swiss Pass der Fall war. Dort mussten wir die ÖV-Branche auffordern, bereits erhobene Kontrolldaten der Passagiere zu löschen. Als Datenschützer ist es mir wichtig, dass ich nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werde.»

Den Bundesrat hat Losbsiger mit seinem Ruf nach grösstmöglicher Transparenz offensichtlich nicht erreicht. Er will das Beschaffungsrecht vom Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes ausnehmen. Die Regierung kann vorschlagen, was ihr sinnvoll erscheint.

Lobsiger: «Erstaunt hat mich, dass dieser wesentliche Punkt nicht in der Medienmitteilung erwähnt wurde. Dann ist es meine Aufgabe als Öffentlichkeitsbeauftragter, auf diesen Punkt aufmerksam zu machen.» Er hat dabei deutliche Worte gewählt und den Bundesratsentscheid als «Rückschritt in die Steinzeit» bezeichnet. Wollte er damit den Vorwurf entkräften, er sei als ehemaliger Vizedirektor des Bundesamts für Polizei zu nahe an der Verwaltung?, mutmasst die Zeitung.

Lobisger: «Nein. Ich bedauere, dass diese Intervention nötig war. Ich hoffe, dass sie einmalig bleibt – und gehe davon aus, dass es sich um eine Kommunikationspanne handelte und nicht um eine bewusste Desinformation», sagte er. «Die Verwaltung meint, Ausschreibungen und Zuschläge würden ohnehin publiziert, die Journalisten seien also nicht auf das Öffentlichkeitsgesetz angewiesen.»

Beschaffungen sollen künftig ab einem Auftragswert von 50’000 Franken publiziert werden. Kleinere Ausgaben wären ausgenommen. Das können Ausgaben für Essen oder Reisen sein, die sehr heikel sein können. Genau hier müsste das Öffentlichkeitsgesetz greifen. Dazu kommt, dass bei den Beschaffungen über dem Schwellenwert auch nur ein kleiner Teil der Dokumente publiziert wird.

Lobisger ist seit acht Monaten im Amt. Welche Schwerpunkte will er im laufenden Jahr setzen? Beschäftigen wird ihn vor allem die Begleitung von Grossprojekten. «Ein Thema wird auch die Werbeallianz Admeira von SRG, Ringier und Swisscom sein. Die Begleitung solcher Projekte bindet viele Ressourcen. Deshalb müssen wir uns bei den Kontrollen, die wir aus eigenem Antrieb und aufgrund von Meldungen auf unserer Hotline anstrengen, beschränken», so Lobsiger abschliessend.