Die Vermarkter signalisieren grosse Erwartungen an das Agenturtool Agency.OS. Anfang 2023 soll dieses bei der Wemf verfügbar sein.
Der Klein Report hat bereits heute mit Marc Sele, Director of Data and Tools bei der Wemf AG für Werbemedienforschung, über ein paar Details gesprochen.
Anfang 2023 soll das neue Tool Agency.OS für Allmedia-Kampagnen bei der Wemf für Mediaagenturen verfügbar sein. Wie ist der technische Stand zur Einführung?
Marc Sele: «Die Entwicklung der Software selbst ist schon weit fortgeschritten. Wir sind momentan dabei, einzelnen Features den letzten Feinschliff zu geben, sodass wir bereits in den nächsten Wochen mit unserer ersten Betaphase starten können, in welcher die Mediaagenturen die Software selber testen können. Noch nicht integriert sind momentan die zahlreichen Programmschnittstellen zu diversen Dritt-Tools, wie beispielsweise die Ad Manager von Google und Meta oder die Buchungstools der TV-Vermarkter Goldbach und Admeira. Diese Schnittstellen sollten dann auch Ende des Jahres fertiggestellt sein und von den Agenturen in der zweiten Betaphase, welche im Q1 2023 stattfinden soll, getestet werden können.»
Zu welchen anderen Systemen steht Agency.OS in Konkurrenz?
Sele: «Ich bin der Meinung, dass das Tool Agency.OS in seiner Gesamtheit, das heisst mit seiner Anbindung an das Wemf-Ökosystem, zumindest für den Schweizer Markt konkurrenzlos ist. Neben den Studien und Statistiken ist auch die Mediendatenbank der Wemf mit Agency.OS verknüpft. Dies hat zur Folge, dass Print, aber auch das Online-Inventar der Schweizer Publisher in Agency.OS für die Agenturen sichtbar, planbar, buchbar und verrechenbar sind. Dies schafft zurzeit kein anderes Produkt.»
An einigen Veranstaltungen ist in der Branche viel über Agency.OS gesprochen worden. Vielen ist das Handling der Schnittstellen zu verschiedenen Mediengattungen nicht ganz klar. Können Sie die vollautomatisierten Schnittstellen zum Beispiel von Print zu Online erläutern?
Marc Sele: «Die Schnittstellen sind ein komplexes Thema. Je nach Mediengattung ist der Umfang der Integration und der Grad der Automatisierung sehr unterschiedlich. In der ersten Phase möchten wir keine zweiseitigen Schnittstellen anbieten. Zuerst legen wir den Fokus auf die möglichst automatisierte und effiziente Übertragung der monetären Daten von abgeschlossenen Buchungen aus den etablierten Buchungstools von Vermarktern in Agency.OS. Dieses wird schliesslich die Rolle als zentrales und gattungsübergreifendes Kunden-, Kampagnen-, Auftrags- und Rechnungsmanagement-Tool bei den Agenturen einnehmen. In einer zweiten Phase, die im Anschluss an die Lancierung von Agency.OS starten wird, wollen wir bei entsprechendem Interesse bei den Vermarktern auch die zweiseitige Übertragung ermöglichen. So können Buchungsanfragen aus Agency.OS direkt an das Tool des Vermarkters übermittelt werden, der die Anfrage unmittelbar bestätigen kann. Um eine solch vollständige Integration der zweiten Phase zu ermöglichen, sind wir aber auf die Unterstützung jedes einzelnen Vermarkters angewiesen, weil dieser sein Tool für den Empfang solcher Daten vorbereiten muss.»
Sind die Vermarkter dazu bereits eingerichtet?
Sele: «Die von Ihnen genannten Beispiele Print und Online sind in diesem Zusammenhang Spezialfälle, weil es bei diesen Gattungen eigentlich noch keine wirklich etablierten Buchungs-Tools für das Schweizer Inventar gibt. Hier werden üblicherweise Buchungsanfragen beziehungsweise Buchungsbestätigungen und Rechnungen telefonisch oder per E-Mail zwischen der Agentur und dem Vermarkter beziehungsweise dem Verlag ausgetauscht. Mit der MedienDB, welche ein integraler Bestandteil von Agency.OS ist, hat die Wemf das Buchungs-Tool für das teilnehmende Schweizer Print-Inventar bereits 2019 geschaffen. Seit 2022 beinhaltet die MedienDB ausserdem neu auch das Premium-Onlineinventar der Schweizer Publisher. In der Folge ist für Print und CH-Online für die erste Phase gar keine Schnittstelle nötig, weil alle relevanten monetären Daten durch die Teilnahme an der MedienDB bereits in Agency.OS vorhanden sind und Buchungsanfragen direkt aus dem System an den jeweiligen Vermarkter beziehungsweise Publisher versendet werden können.»
Wie läuft es mit Google?
Marc Sele: «Am Beispiel der Anbindung der API des Google Ad Managers lässt sich das für die meisten Gattungen beziehungsweise Vermarkter übliche Schnittstellen-Handling der Phase 1 aufzeigen. In diesem Fall nutzt die Agentur weiterhin den etablierten Google Ad Manager, um die Buchungen im Google-Netzwerk zu planen und zu buchen. Durch die API werden dann weitgehend automatisch die monetären Buchungsinformationen inklusive Belege ins Agency.OS übertragen und dem entsprechenden Kunden der Agentur zugeordnet. Somit ist umgehend eine aktualisierte und konsolidierte Sicht auf den Kunden möglich und die verbuchten Leistungen können anhand der in Agency.OS hinterlegten Budgets kontrolliert und jederzeit an den Kunden weiterverrechnet werden.»
Die Wemf spricht von hoher Konnektivität zu sämtlichen Wemf-Datensätzen und zu anderen Planungs-Tools. Können Sie an einem Beispiel verdeutlichen, wie die Planungs-Tools verknüpft sind und was sich für den Media-Planer im Tagesgeschäft ändert?
Sele: «Der übliche Prozess würde folgendermassen ablaufen: Der Mediaplaner hat den Auftrag, für eine spezifische Zielgruppe eine Print-Planung zu erstellen. Dafür nutzt er beispielsweise die Planungsfunktionen der MACH Consumer, um einen optimalen Plan mit Bruttokosten zu erstellen. Er speichert den optimierten Plan und öffnet diesen erneut in der Verbreitungsstatistik, um lokale Titel zu ergänzen, die nicht an der MACH Consumer teilnehmen, aber eine hohe Streudichte in einem gewünschten geografischen Gebiet aufweisen. Anschliessend öffnet er den so ergänzten Plan direkt in Agency.OS und führt eine Kostenkalkulation auf Netto-Kundenebene durch. Das heisst, er weist den Plan einem Kunden zu und kann daher unter Berücksichtigung der kundenspezifisch verhandelten Rabatte und Konditionen eine effektive Kostenrechnung durchführen. Ist er mit dem Ergebnis zufrieden, wird der Plan als Kampagne für den Kunden angelegt und die Buchung kann direkt aus Agency.OS ausgeführt beziehungsweise in Auftrag gegeben werden. An diesem Beispiel zeigt sich, dass für den Media-Planer mindestens zwei Tool- beziehungsweise Datenbrüche wegfallen. Erstens der Bruch beim Wechsel zwischen MACH Consumer und Verbreitungsstatistik, der durch die Interkonnektivität zwischen den Wemf-Daten verhindert wird. Zweitens der Bruch, welcher bei der Übertragung des fertigen Mediaplans in das Agenturtool auftreten würde. Das heisst für den Media-Planer, dass er den Mediaplan zweimal weniger rekonstruieren muss und das spart schlussendlich Zeit und Kosten.»
In welcher Phase befindet sich die Schulung der Media-Planerinnen und -Planer?
Marc Sele: «Im Moment sind wir dabei, die Betaphase vorzubereiten, die in Kürze starten wird. Im Rahmen dieser Betaphase werden die an den Betatests teilnehmenden Agenturmitarbeitenden von uns auch geschult und während den Tests eng vor Ort begleitet. Die Schulungen sämtlicher Mitarbeitenden starten erst, wenn eine Agentur sich für den Erwerb einer Agency.OS-Lizenz entschieden hat. In den Lizenzgebühren ist ein Schulungskontingent inkludiert. Gleichzeitig bieten wir umfangreiche Support-Dienstleistungen und optionale Services an.»
Was sind aus Ihrer Sicht zurzeit die grössten Probleme mit dem neuen Agency.OS-Tool und wo läuft es bereits reibungslos?
Sele: «Auf der konzeptionellen Ebene bereitet uns das Reporting- und Analytics-Modul noch etwas Kopfzerbrechen. Schlicht und einfach deshalb, weil hier die Bedürfnisse der Kunden teilweise sehr unterschiedlich sind. Es müssen Konventionen gefunden werden, die möglichst allen gerecht werden. Auf der operativen Ebene sind sicher die zahlreichen Schnittstellen eine Herausforderung, weil sich die Tool-Landschaft, aber auch die Datenstrukturen und Schnittstellenformate jederzeit ändern können. Wir müssen daher im Betrieb möglichst schnell auf solche Veränderungen reagieren, um die Funktionsfähigkeit der Schnittstellen dauerhaft sicherstellen zu können.»
Die Wemf bietet so den ganzen Planungsprozess und auch die Abwicklung, das Reporting sowie die Verrechnung von Werbekampagnen für alle Mediengattungen an. Wie sieht das auf der Seite der Wemf aus: Sind weitere Fachleute zugezogen worden? Mussten weitere Personen angestellt werden?
Marc Sele: «Die Wemf hat zum einen die IT- und Marktforschungsfirma Immediate GmbH aus Bremen zu hundert Prozent übernommen, die unter anderem das etablierte Planungs- und Analysetool NEXT>LEVEL entwickelt hat. Immediate hat ihre grosse Erfahrung und ihr Können bei der Erstellung der Mediaplanungssoftware unter Beweis gestellt und mit dieser Akquisition haben wir uns dieses Know-how direkt ins Haus geholt. Zum anderen haben wir auch bei uns in Zürich IT-Entwickler angestellt, die primär an Agency.OS arbeiten. Des Weiteren wurde das Data- and Tools-Team mit Mitarbeitenden aufgestockt, die durch langjährige Mediaagenturerfahrung die Bedürfnisse der Agenturen sehr gut kennen und uns daher bei der Konzeption der Software unterstützen konnten. Sie werden auch für die Kundenbetreuung und den Support zuständig sein. Last, but not least haben wir uns für die Konzeption der Software von Tool-Experten einzelner Schweizer Mediaagenturen und von weiteren unabhängigen Beratern und Fachleuten beraten lassen und uns intensiv mit den Mediaagenturen über deren Bedürfnisse ausgetauscht.»