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Montag
17.04.2023

TV / Radio

Ein sinnvolles Forum, sachlich moderiert von einem gut bezahlten SRF-Journalisten...           (Bild: EDA):

Ein sinnvolles Forum, sachlich moderiert von einem gut bezahlten SRF-Journalisten... (Bild: EDA):

Wie steht es um die journalistische Unabhängigkeit, wenn Politjournalisten Nebeneinkünfte von mehreren Tausend Franken vom Staat erhalten, den sie kritisch begleiten sollten?

Dieser Frage wollte Dominik Feusi nachgehen. Der Stellvertretende Chefredaktor und Leiter Bundeshausredaktion des Portals Nebelspalter.ch hat dazu eine umfassende Recherche lanciert und Erstaunliches herausgefunden: Von 2020 bis 2022 hat die Bundesverwaltung 55 Aufträge im Wert von 213’281 Franken an Journalisten vergeben, die dafür einen Anlass moderierten, Texte erstellten oder mit der Bundesverwaltung Medientrainings durchführten. «Mehr als die Hälfte davon ging an Mitarbeiter der SRG», schreibt der Nebelspalter-Autor.

In den meisten Fällen sieht man beim öffentlich-rechtlichen Sender «kein Problem» mit dem Nebenverdienst ihrer Aushängeschilder. Obwohl die derart fürstlich bezahlten Politjournalisten eigentlich den Staat, der ihnen in der Freizeit die Butter auf das Brot streicht, gemäss Pflichtenheft bei ihrem Hauptjob kritisch begleiten sollten.

Bei den Fremdauftritten tun sie es wenigstens sachlich. Ende März 2022 zum Beispiel Arthur Honegger. Das Aushängeschild der Sendung «10vor10» von SRF moderiert in Genf das «International Cooperation Forum». Die Veranstaltung des Aussendepartementes (EDA) widmet sich dem Klimawandel als «Herausforderung für die nachhaltige Entwicklung». Für die Moderation sowie die Mitarbeit bei den Inhalten erhält Honegger vom EDA 12’473 Franken.

Am 19. Oktober 2021 moderierte «10vor10»-Moderator Urs Gredig den Jahresanlass der «Initiative Vorbild Energie». Mit dem Programm will das Bundesamt für Energie (BfE) Anbieter von «öffentlich relevanten Dienstleistungen» dazu motivieren, einen Beitrag zur Energiestrategie 2050 zu leisten. Der Moderator erhält für seinen Auftritt 7’000 Franken.

Wenige Monate vor dem gut bezahlten Anlass interviewte der SRF-Mann in seiner Sendung «Gredig direkt» die damalige Energieministerin und oberste Chefin des BfE, Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP).

In einer ähnlichen Doppelrolle entdeckt der Nebelspalter-Autor den «Tagesschau»-Moderator Florian Inhauser. Dieser erhält von der Bundeskanzlei 7’269,75 Franken für eine Moderation eines internen Anlasses sowie Hilfe bei den umfangreichen Recherchen zum Thema der elektronischen Identität (E-ID). Später berichtet die «Tagesschau» wohlwollend und unkritisch über die neuen Pläne des Bundesrates für eine staatliche E-ID. «Inhauser ist an diesem Tag ebenfalls Teil der ‚Tagesschau‘-Redaktion, mindestens steuert er einen Beitrag bei», moniert Dominik Feusi.

Noch tiefer in die Beratung von Bundesbehörden gehe SRF-Inlandredaktor Rafael von Matt. 2021 und 2022 führte er für das Bundesamt für Statistik Medientrainings durch. «Er half den Bundesbeamten also, mit Journalisten umzugehen, welche die Beamten kritisch hinterfragen sollen», heisst es im Enthüllungsbericht. SRF schreibt dazu auf Anfrage, von Matt habe es unterlassen, bei seinem Vorgesetzten ein Gesuch für das Engagement zu stellen. «Das Engagement war nicht bewilligt und wäre auch nicht bewilligt worden.»

Gemäss Nebenbeschäftigungsreglement sei es SRF-Mitarbeitenden nicht erlaubt, Medientrainings anzubieten. Der Fall werde «personalrechtliche Konsequenzen» haben. Was das sein könnte, blieb seither unbeantwortet.

Bei den Nebeneinkünften gibt es wenigstens eine Gerechtigkeit für die Geschlechter. SRF-Frau Tanya König produziert Interviews und Videos für das Aussendepartement für insgesamt 13’210 Franken. Nicoletta Cimmino, damaliges Aushängeschild der Nachrichtensendung «Echo der Zeit», bekommt im Jahr 2020 schöne 6’244 Franken vom EDA für virtuelle Moderationen. 3’000 Franken gibt es für die Politjournalistin Nathalie Christen für die Moderation der offiziellen Feier «50 Jahre Frauenstimmrecht».

Claire Mudry ist Aushängeschild des Westschweizer Fernsehens. Sie habe «schon fast ein Abonnement auf Moderationen beim Bundesamt für Kultur», hat die Recherche des Satiremagazins ergeben. Aufgezählt werden die Verleihungen des Schweizer Musikpreises mit zweimal 4’000 Franken. Dazu ein Literaturpreis für 2’000 sowie ohne Honorarangabe auch noch zwei Filmpreise. Die Kollegen von RTS sorgen mindestens 2023 «für eine ebenso umfangreiche wie wohlwollende Berichterstattung», heisst es dazu im kritischen Bericht.

Auch SRF-Wirtschaftsjournalist Reto Lipp hat an einer Messe der Bauwirtschaft im Auftrag des Bundesamtes für Energie für 4’308 Franken zum Thema Klima moderiert. Kritische Recherchen zum Thema, zum Beispiel über Kosten und Nutzen der Milliarden an Subventionen in der Energiepolitik, suche man in seinen Sendungen allerdings vergeblich, heisst es in den Recherchen zu Lipps Freizeitbeschäftigung.

Neben Journalisten von SRF wurden einige freie Autoren und Medienschaffende der «NZZ», von Tamedia, von der «Wochenzeitung WoZ», der «Republik» oder von ausländischen Medien verpflichtet. Keine Aufträge gingen an Mitarbeitende von Ringier, CH Media, «Weltwoche» und Nebelspalter.ch.

Zur Bewilligungsplicht für solche externen Moderation schreibt SRF: «Die publizistische Glaubwürdigkeit und damit die Wahrung der journalistischen Unabhängigkeit sind das höchste Gut von SRF. Voraussetzung für die Bewilligung von Nebenbeschäftigungen ist deshalb immer, dass Themen vor Ort kontrovers diskutiert werden und die Moderationsperson von SRF die Gesprächsleitung ohne Instruktionen der Veranstaltenden gestalten kann.»