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Samstag
31.08.2024

Medien / Publizistik

Während sich die Aktionäre die Hände reiben, ruft CEO Jessica Peppel-Schulz die Parole der Nuller-Jahre aus: «Digital first»...    (Bild Tamedia/zVg)

Während sich die Aktionäre die Hände reiben, ruft CEO Jessica Peppel-Schulz die Parole der Nuller-Jahre aus: «Digital first»... (Bild Tamedia/zVg)

Nach der Ankündigung des Stellenabbaus jagt beim «Tages-Anzeiger» eine Krisensitzung die nächste. Der Frust des Fussvolks richtet sich gegen Konzernführung und Redaktionsleitung. 

Das mediale Erdbeben erschütterte die ganze Schweiz: Die TX Group baut 290 Vollzeitstellen ab, 90 davon allein auf den Redaktionen. In der Mittwoch-Ausgabe von «Tages-Anzeiger», «Berner Zeitung» und «Basler Zeitung» richtete Simon Bärtschi, publizistischer Leiter Tamedia, salbungsvolle Worte an die Leserschaft.

Unter dem Titel: «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus» schrieb Bärtschi unter anderem: «Die Qualität steht für uns zuoberst. Umfassende Recherchen, Porträts und Reportagen, interaktive Karten, Ticker zu relevanten Ereignissen, präzise Einordnungen der politischen Aktualität auf allen Ebenen sowie praktischer Service machen unsere Angebote einzigartig.» 

Auf der Redaktion rieb man sich in einer Mischung aus Irritation und Unverständnis die Augen – und stellte sich die Frage: Ist dies noch Zynismus oder schon Realsatire? Wie will man Qualitätsjournalismus garantieren, wenn man einen beträchtlichen Teil der Belegschaft auf die Strasse stellt? 

Während sich die Aktionäre zufrieden die Hände reiben und auf ein weiter optimiertes Konzernergebnis hoffen, ruft CEO Jessica Peppel-Schulz die Kampfparole der Nullerjahre aus: «Digital first». Gleichzeitig kündigt sie in einem Interview an, dass man die Leserpräferenzen genau eruieren und die Redaktionsstrukturen darauf abstimmen werde.

Ob dies gute Neuigkeiten für die Leserinnen und Leser sind, bleibt abzuwarten. Für gewisse Ressorts sind es ganz schlechte. Hört man sich bei Kennern im Online-Journalismus um, kann dies nur etwas bedeuten: An den Kragen geht’s dem Sport und der Kultur.

Erfahrungsgemäss generieren diese Sparten die wenigsten Klicks. Und wenn es tatsächlich nur noch um digitale Reichweite geht, wird Tamedia unweigerlich dort den Sparhebel ansetzen – und stattdessen in andere Bereiche investieren: Unglücksfälle und Verbrechen; Blech und Busen. Damit erzeugt man den schnellsten Trafic. Garantiert! Ob es den Tagi-Leserinnen gefallen wird, bleibt abzuwarten.